Editorial der Printausgabe 5/2016 

Röhren ohne zu stören

Jean-Damien Humair, Übersetzung Pia Schwab, 28.04.2016

Die Entwicklung der musikalischen Gattungen und der Musikinstrumente ist von jeher eng verbunden. Die Anekdote über das Klarinettenkonzert von Mozart, das er speziell für die kurz vorher erfundene Bassettklarinette geschrieben hat, ist bekannt. Und die technischen Verbesserungen des Klaviers im 19. Jahrhundert spiegeln sich kontinuierlich in Partituren, die sich die Neuerungen zunutze machen.

Genauso ist die Entwicklung der Rockmusik eng mit derjenigen der elektrischen Gitarre verknüpft. Hier wird eine Musik erstmals zum Merkmal einer gesellschaftlichen Randgruppe, die sich abheben will: der Jugend. Die jungen Leute brauchen günstige Instrumente, Instrumente, die ihnen Bewegungsfreiheit lassen und mit denen sie die älteren Generationen schockieren können. Da kommt die E-Gitarre wie gerufen.

Neu ist, dass dabei nicht nur die moderne Technik des Instruments ins Feld geführt wird, sondern auch ein Fehler: die Verzerrung, die sich einstellt, wenn der Verstärker ganz aufgedreht wird oder in schlechtem Zustand ist. Sie bringt die Gitarre zum Röhren, zum Heulen und macht aus diesem schüchternen Instrument ein forderndes, subversives Objekt der akustischen Ausschweifung. Nun beginnt man ganz bewusst, Verstärker zu konstruieren, die übersteuern, und Verzerrer, die zwischen Gitarre und Verstärker eingebaut werden können. Der Gitarrensound wird immer stärker, er drückt die Gewalt der Rocker aus, die ihre Instrumente zertrümmern oder in Brand stecken.

Seit diesen Szenen hat sich die Geisteshaltung der E-Gitarristen stark verändert. Der übersteuerte Klang ist normal geworden, er gilt sogar als edel. Die elektrische Gitarre röhrt heute, ohne zu stören. Sie ist zum «Klassiker» geworden; der Zauber der alten Röhrenverstärker, des analogen Sounds ist begehrt. Und nichts steht so hoch im Kurs wie eine Gibson Les Paul von 1957 oder eine Fender Stratocaster von 1954. Tatsächlich! Die renommierten Gitarren tragen Jahrgänge wie guter Wein (aus dem Weinbau kommt ja auch der ursprüngliche Wortsinn von «vintage»). Die Geiger haben Ähnliches bei den Stradivari erlebt. So wiederholt sich die Geschichte.
 


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1998 fusionierten sechs Verbandsorgane zur Schweizer Musikzeitung

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2008 feierte die Schweizer Musikzeitung ihr 10-jähriges Bestehen. Dies war der Anlass, einen Blick auf ihre lange Vorgeschichte zu werfen. Siehe Artikel Vom Sängerblatt zur SMZ in: SMZ 1/2008, S. 5 ff.

Im Januar 2013 wurde die Schweizer Musikzeitung neu gestaltet und inhaltlich erweitert. Relaunch

Wir danken der Fondation Suisa, der Schweizerischen Interpretenstiftung, der Stiftung Phonoproduzierende und der Pro Helvetia für die Unterstützung dieses Neuauftritts.

Am 28. November 2014 beschloss die ausserordentliche Delegiertenversammlung des Vereins Schweizer Musikzeitung, die NZZ Fachmedien AG ab 1. Januar 2015 als Verlegerin und Herausgeberin der Schweizer Musikzeitung einzusetzen und den Verein Schweizer Musikzeitung zu liquidieren. Siehe Nachricht.

Ab dem 1. Januar 2020 gehörte die Schweizer Musikzeitung zur CH Regionalmedien AG.
(Nach der Gründung des Joint Ventures CH Media im Jahr 2018 durch die NZZ und die AZ Medien ging die NZZ Fachmedien AG an die CH Regionalmedien AG.)

Per 1. Oktober 2020 wurde die Schweizer Musikzeitung von der Galledia Fachmedien AG übernommen. Siehe Mitteilung der CH Media.