Interview mit Philippe Bach 
Die Freiheit des Zeitgenössischen

Die Freiheit des Zeitgenössischen

Laurent Mettraux, Übersetzung: Pia Schwab, 04.12.2013

Philippe Bach leitet mehrere Orchesterformationen in der Schweiz und in Deutschland. Beethoven und Brahms nimmt er zwar gern ins Programm vor allem aber ist er fasziniert von der Musik des 20. Jahrhunderts und von den heutigen Komponisten.

Philippe Bach wurde 1974 in Saanen geboren; er studierte Orchesterdirektion in Zürich und Manchester. Seit 2011 ist er Generalmusikdirektor der Meininger Hofkapelle und des Südthüringischen Staatstheaters Meiningen. Daneben leitet er als Chefdirigent seit 2009 die Zuger Sinfonietta und seit 2012 das Berner Kammerorchester. Er hat unter anderem am Teatro Real de Madrid und an der Hamburger Oper gastiert, ebenso beim London Philharmonic Orchestra, dem BBC Philharmonic Orchestra, dem Helsinki Philharmonic Orchestra und dem Royal Scottish National Orchestra.

Laurent Mettraux: Das Berner Kammerorchester (BKO) gibt regelmässig Kompositionen in Auftrag und bringt Werke zur Uraufführung. Was bringt das den Musikerinnen und Musikern des Orchesters ?
Philippe Bach: Die Aufführung neuer Musik von Schweizer Komponisten war von Anfang an ein wichtiger Bestandteil der Programme des BKO. Ich finde dies eine wunderbare Tradition, die man unbedingt weiterpflegen muss. Der Austausch mit lebenden Komponisten ist für mich als Dirigent und für das Orchester äusserst inspirierend und eine wunderbare Abwechslung, da wir klassischen Musiker ja grösstenteils mit Musik von Verstorbenen zu tun haben. Ich vermisse in der Schweiz den Stolz auf unsere Komponisten. Martin, Honegger und Schoeck sind auf der ganzen Welt hochgeschätzt, aber trotzdem wird von ihnen sehr wenig in der Schweiz gespielt, weil man angeblich die Konzerte schwer verkauft. Aber wenn man unsere Komponisten nicht pflegt, wird sich dies nicht ändern. Ich wünsche mir, dass sie einmal so verankert sein werden, wie Sibelius in Finnland oder Elgar in England.

Du bist seit Kurzem Generalmusikdirektior in Meiningen. Wie ist es, einen so traditionsreichen Posten inne zu haben? Und hast du vor, Stücke wieder aufzuführen, die im Laufe seiner über 300-jährigen Geschichte für dieses Orchester geschrieben wurden?
Meiningen ist wirklich etwas Spezielles, es gibt ja das Zitat von Mahler: «Normalerweise gibt es eine Stadt mit einem Theater, aber Meiningen ist ein Theater mit einer Stadt.» Obwohl die Stadt nur ca. 25 000 Einwohner hat, kommen pro Jahr etwa 160 000 Leute ins Theater, die Stadt lebt also vom Theater. Diese positive Atmosphäre überträgt sich natürlich auf alle Mitarbeiter und speziell auf die Musiker der Meininger Hofkapelle, welche eine grosse Spielfreude haben. Grosse Dirigenten haben ihre Spuren hinterlassen. Dirigenten wie Bülow, Strauss, Steinbach, Reger und in jüngerer Zeit Petrenko, Buribayev und mein Vorgänger Hans Urbanek haben grossartige Arbeit geleistet. Natürlich spielen wir in gewisser Regelmässigkeit die 4. Sinfonie von Brahms und die Mozart-Variationen von Reger, welche in Meiningen uraufgeführt wurden, daneben gibt es aber auch Werke von weniger bekannten Komponisten wie Wilhelm Berger oder Günter Raphael die wir aufführen. Daneben pflegt und pflegte man immer auch den Kontakt zu zeitgenössischen Komponisten, speziell auch in der DDR-Zeit. Die Geschichte muss weiterleben. Sowohl die Musiker wie auch das Publikum sind sich dessen bewusst, deswegen spielen wir, verglichen mit anderen deutschen Orchestern, verhältnismässig viel neue Musik.

Aus den Werken, die Du dirigiert hast, lässt sich ein besonderes Interesse für das 20. Jahrhundert herauslesen. Was zieht Dich daran besonders an ?
Natürlich dirigiere ich gerne Beethoven und Brahms, aber genauso gerne Bartók oder Adès. Ich finde es sehr wichtig, dass die Orchestermusiker von Zeit zu Zeit wirklich gefordert werden, was im klassisch-romantischen Repertoire nicht bei allen Gruppen der Fall ist, ich denke da zum Beispiel an die Schlagzeuger. Ich fühle mich in diesem Repertoire sehr frei, da kein Orchestermusiker (oder Kritiker) eine vorgefasste Meinung hat, man ist dann viel weniger den verschiedenen Erwartungen ausgesetzt und kann der Fantasie freien Lauf lassen. Ausserdem finde ich es momentan sehr spannend, da man nicht mehr sagen kann, heute komponiert man so, es gibt so viele unterschiedliche Strömungen in der Neuen Musik.
 


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2008 feierte die Schweizer Musikzeitung ihr 10-jähriges Bestehen. Dies war der Anlass, einen Blick auf ihre lange Vorgeschichte zu werfen. Siehe Artikel Vom Sängerblatt zur SMZ in: SMZ 1/2008, S. 5 ff.

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