Der Kirchen­gesangsbund im Wandel der Zeit

Der Kirchen­gesangsbund im Wandel der Zeit

18.11.2016

Der Schweizerische Kirchengesangsbund besteht seit 1896. Er setzt sich die Förderung des kirchlichen Singens, insbesondere des gottesdienstlichen ­Chorgesangs zum Ziel.

Markus J. Frey — Der Verband organisiert jährlich wiederkehrende Veranstaltungen für Singende, Chorleitende und Chorvorstände. Er gibt geeignete Chorliteratur in einem ­eigenen Verlag heraus und ist mit dem Reformierten Kirchenmusikerverband der Schweiz für die Herausgabe der Fachzeitschrift «Musik und Gottesdienst» zuständig.

Die Schweizer Chorlandschaft hat sich seit der Gründung des Schweizerischen Kirchengesangsbundes vor 120 Jahren stark verändert. Jedes Jahr treten 5 bis 10 Chöre und mehrere Einzelmitglieder aus dem Verband aus, weil sich die Chöre aus Überalterung auflösen, sich ein neues Ziel setzen oder die Mitglieder altershalber austreten. Zurzeit sind 245 Chöre Mitglied im Verband mit einer Chorsängerinnen- und Chorsängerzahl von knapp 7500. Mit den Einzel-, Ehren- und Kollektivmitgliedern und den freundschaftlich verbundenen Institutionen und Ausbildungsstätten sind es knapp 8000 Personen die dem Verband angehören. Diese leider jährlich sinkende Zahl macht uns Sorgen, besonders hinsichtlich der finanziellen Zukunft. Die Notenausgabe ist jeweils kostenintensiv und die Veranstaltungen sind seit vielen Jahren nicht mehr kostendeckend zu führen. Diese einseitige Überbelastung führt zu jährlich wiederkehrenden grossen Defiziten in der Vereinsfinanzführung.

Der Zentralvorstand, bestehend aus den Musikerinnen Caroline Marti (Münsingen) und Annedore Neufeld (Diessenhofen), der Chorpräsidentin Marianne Guggenbühler (Langenthal), dem Musiklehrer Albert Spescha (Pigniu), dem Pfarrer Dietrich Jäger (Ettingen), dem Präsidenten und ehemaligen Schulleiter und Kirchenmusiker Hermann Stamm (Wängi) und dem Musiker Markus J. Frey (Hettenschwil) hat im vergangenen Juni in einer ganztägigen Klausur an der Zukunft des Verbandes gearbeitet. Alle bisherigen Publikationen wurden überprüft, der Ist-Zustand wahrgenommen und die mögliche zukünftige Ausrichtung besprochen. Der Erneuerungsprozess ist nötig geworden. Der Zentralvorstand ist nun daran, auf die kommende Abgeordnetenversammlung vom 29. April 2017 in Basel die Zukunft oder die neue Ausrichtung des Verbandes vorzubereiten, sodass die Abgeordneten das Schiff unterstützend in die Zukunft führen können.

Ausserhalb der Kirche sehen wir ein erfreuliches Aufblühen der Chorkultur. Singen an sich hat nicht mehr den Gout der Freizeitbeschäftigung des geistig wie materiell Armen. Universitätschöre florieren, Gospelchöre schiessen aus dem Boden, kleine Ensembles überraschen mit ausgefallenen musikalischen Entdeckungen. Ich bin überzeugt von der Aussage: Die Vielfalt der Stimme als einzigem Musikinstrument, das sowohl Ton als auch Wort transportieren kann.

Ein grosser Unterschied zu früher ist jedoch deutlich geworden: Chöre sind personenbezogener. Kaum noch jemand geht in den Kirchenchor von X, um die Kirchenmusik an sich zu unterstützen, sondern weil ihm dort die Menschen, die Musik oder der Chorleiter (bzw. die Chorleiterin) zusagen. Im besten Fall alle drei Elemente. Kein Chor existiert wegen der Institution Kirche allein. Im Zeitalter der häufig wechselnden Wohnsitze kann ein Chor ein perfektes Medium sein, neue Menschen am neuen Wohnort kennenzulernen. Wenn der Chorleiter den ihm anvertrauten Chor als eine kirchliche Gemeinschaft sieht, dann kann dieser Chor eine wichtige soziale Aufgabe übernehmen. Dazu muss der Chorleiter zusammen mit dem Vorstand die Funktion des Gastgebers übernehmen, der dafür verantwortlich ist, dass sich möglichst alle Sänger in der Gruppe wohl fühlen. Nur dann werden sie wiederkommen. Der entscheidende Moment ist die erste Probe, in der ein neues Mitglied zur Chorprobe kommt. Denn wer in seiner Freizeit in einen Chor kommt, möchte davon auch etwas haben. Menschlich und musikalisch. Wem es nicht gefällt, der sucht sich einen anderen Chor, das ist das gute Recht des freien Menschen. Daher kommt es auf das geschickte Engagement des Chorleiters und seiner Helfer an.

Der Chorleiter könnte sich etwa fragen: Betrachte ich meine Chorsängerinnen und Chorsänger als erwachsene Menschen, die ihre Freizeit im Chor verbringen? Gebe ich ihnen das Gefühl, dass ich diese Tatsache an sich und jeden Einzelnen schätze und respektiere? Oder: Ist meine Probenarbeit abwechslungsreich, zielführend, die richtige Gratwanderung zwischen Überforderung und Langweile suchend, zwischen Spannung und Entspannung, freundlich und Zeit sparend? In seiner Multitaskingfähigkeit ist er extrem gefordert: Er muss dirigieren, hören, ggf. gleichzeitig Klavier spielen und noch während die Musik läuft, überlegen, mit welchen Worten er welchen nächsten Arbeitsschritt direkt nach dem Ende des laufenden Durchgangs ansagt.

Projektchöre sind, zumindest an Orten oder Kirchen, in denen es keine erfolgreiche Chorarbeit gibt, ein guter Weg, interessierte Sänger mit dem Chorsingen in Verbindung zu bringen. Ein Lockangebot sozusagen, das Formular zum Eintritt holt man als Chorleiter dann in dem Moment heraus, wo die Lust beim Sänger gross genug ist. Einen Mittelweg zwischen beiden Extremen kann man als Chorleiter insoweit ausprobieren, indem man innerhalb eines bestehenden Chores ein Projekt für interessierte Chorsänger ausschreibt, die dann für diese Phase dem Chor beitreten. Wir leben in einer Event­gesellschaft. Was können wir als Kirchenchorleiter und -verantwortliche daraus lernen: Die Musik allein macht es nicht, es muss etwas Besonderes her. Sei es ein Titel, sei es die Werbung, sei es der besondere Aufführungsort, irgendein Element, bei dem der Zuhörer danach erzählen kann, dass das toll gewesen sei, sollte dabei sein. Ein Chor, der immer nur «alte» Musik singt, wird bald selbst zum Museum. Es gibt inzwischen genügend gute und singbare neue Musik, die auch für einen «alten» Kirchenchor eine dankbare Herausforderung sein kann. Seien wir also mutig in der Auswahl des Repertoires und der Ausgestaltung des Projektes und wachsen an den neuen Aufgaben.

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