
Neue Töne beim SJMWClassica: die ENTRADA-Wettbewerbe 2019
Die Meisterkurse, die der SJMW als Sonderpreis an Erstpreisträger vergibt, profitieren von den Ideen und Impulsen des Geigers Urs Walker. Ein Gespräch und ein Blick zurück und nach vorne.
Hans-Ulrich Munzinger – Sie erinnern sich? Der Schweizer Komponist Fabian Müller war am Kammermusikkurs 2018 mit dabei. Auch 2019 wird er wieder kommen, mit einer neuen Idee. Er wird seine Volksmusikforschung vorstellen und mit den Teilnehmenden in diesem Bereich arbeiten. Das ist symptomatisch für die Haltung des SJMW: Vorwärts gehen, neue Ideen ausprobieren, Impulse wagen. Urs Walker, Geiger des Collegium novum Zürich, ist seit einiger Zeit in den Meisterkursen des SJMW stark präsent: als Lehrer und als Kursgestalter. Im Kammermusikkurs 2018 erarbeiteten die TeilnehmerInnen unter seiner Leitung ein Werk von Bruno Maderna: Serenata per un satellite. Neue Musik, ein Wagnis? «Nein», sagt Walker, «Maderna schreibt Musik, die extrem mit der Vergangenheit verbunden ist. Und er ist ein grosser Melodiker.» Dass alle mitmachen sollten, war der Wunsch der Kursleitung, und dies war dann auch kein Problem. «Jeden Tag begannen wir gemeinsam mit Maderna. Die Probenarbeit war faszinierend. Madernas Komposition lässt vieles offen, so dass man von Improvisation oder instant composing sprechen kann. Von Tag zu Tag änderte sich das Resultat. Schliesslich ergab sich eine Fassung, die wir im Schlusskonzert aufführen konnten: 20 MusikerInnen ohne Dirigent.» Also eine gute Wahl? «Ja! Maderna schreibt sinnliche Musik und war zudem eine Persönlichkeit, die gerne mit jungen Menschen gearbeitet hat und bereit war, über den Tellerrand hinauszublicken!» Genau dies trifft auch auf Urs Walker und das SJMW-Team zu. «Die Teilnehmenden können eigene Ideen einbringen; aber gleichzeitig lernen sie, nicht irgendetwas zu machen, sondern möglichst präzise auf den Stil und die Eigenart des Werkes einzugehen – dies kommt ja auch der Interpretation herkömmlicher Musik zugute.»
Im Kammermusikkurs 2019, der im Hindemith-Zentrum in Blonay stattfindet, geht der SJMW einen Schritt weiter. Der deutsche Komponist Klaus Ospald (Musikhochschule Würzburg) ist eingeladen und wird mit eigenen Werken und mit Analyse-Sitzungen einen Schwerpunkt des Programmes bilden. Weitere Schwerpunkte sollen nach Walkers Plänen Mozart und Schubert sowie entsprechend dem Kursort Paul Hindemith sein. Diese Kombinationen versprechen einen intensiven Dialog. Klaus Ospald, Hindemith, Webern: anspruchsvolle Musik gehörsmässig zu erfassen und durch Analyse «verstehen» zu lernen, ist ein Ziel des Kurses – zu übertragen auch auf Mozart und Schubert. Walker vertritt die Ansicht, zwischen traditioneller und Neuer Musik sei nicht zu unterscheiden. «Gute Musik! Das ist das Kriterium! In meinem eigenen Werdegang hatte ich das Glück, im Dirigenten Paul Sacher bereits in jungen Jahren auf einen Musiker zu treffen, der diese Unterscheidung (wie viele andere auch) nicht gemacht hat.» Wird es gelingen? Wird der Funke springen? «Es bleibt ein Wagnis, Gelingen und Scheitern inbegriffen! Wir klammern das ausgesprochen Experimentelle aus, obwohl es das übrigens in der Musik aller Epochen gibt! Was ich aber als wichtigen Punkt sehe: Hindemith war ein phänomenaler Instrumentalvirtuose, vergleichbar mit Heifetz. Das ist für die jungen Musikerinnen und Musiker im Stadium ihrer momentanen Entwicklung ein guter Anknüpfungspunkt!»
Im Südpol in Luzern wird ein weiterer SJMW-Meisterkurs stattfinden, und der Schweizer Komponist Fabian Müller ist wieder mit dabei – nun schon zum dritten Mal – , um dieses Mal im Bereich der Volksmusik zu arbeiten. Urs Walker sagt: «Fabian Müller ist für unsere Situation eine gute Wahl: jung, frisch, und vielschichtig. Mit ihm wird es eine Arbeit auf der Schnittstelle zwischen klassischer Musik, Volksmusik und Improvisation geben.» Müller präsentiert seine Forschung auf dem Gebiet der Volksmusik und wird mit den Teilnehmenden Volksmusik erarbeiten: Spiel ohne Noten, Schulung des harmonischen und formalen Hörens, ein offenes Arbeiten auf einem für die meisten neuen Feld. In diesen Kurs sind besonders Akkordeon, Harfe und Gitarre eingeladen, Instrumente, die in der Volksmusik wichtig sind – und in der herkömmlichen Musik auch. (siehe oben!) «Kammermusik mit Gitarre, Harfe, Akkordeon und Streichern wird im Kurs besonders gepflegt,» sagt Urs Walker, er erwähnt als Namen Paganini und Spohr. Auch die Ideen und der Unterricht des Gitarristen Dagoberto Linhares sind gefragt. Seine zweite Leidenschaft, den Steptanz, hat er 2018 in die SJMW-Kurse eingebracht. Der Funke sprang über! Die TeilnehmerInnen 2018 übten sich darin mit Lust und Geschicklichkeit, wie das Schlusskonzert im prallvollen Konservatoriums-Saal in Winterthur überzeugend zeigte. Auch 2019 wird wieder gestept!
Zukunft gestalten – neue Wege gehen
Die Kursorganisation liegt bei der Leiterin der Geschäftsstelle, Valérie Probst, die auch manche fruchtbaren Impulse und Ideen zur Entwicklung der Kurse beisteuert. Neue Kursinhalte lösen neue Wege aus. Sich auf Neues ausrichten, die Unverbrauchtheit üben, als Musikerinnen und Musiker komplett werden … zum einen ist es eine Zukunftsanforderung … zum andern einfach, weil es Lust macht! «Es ist kein System.», sagt Urs Walker abschliessend, «es ist ein Wachsen. Viele wirken mit. In den Kursen setzen wir real um, was es heisst, sich auszutauschen und gegenseitig voneinander zu lernen.» Die Kurse des SJMW sind wahrlich eine Perle.
Eintritt zu den Vorspielen frei, Infos: