
«In Arosa sind Musiker dem Himmel näher»
Meisterkurse sind für junge Musikerinnen und Musiker ein Muss. Weshalb sie für die Entwicklung so wichtig sind, erläutert Markus Fleck vom casalQuartett, der für die Arosa Music Academy verantwortlich zeichnet.
Interview Christian Buxhofer — In Arosa gibt es neben den Musik-Kurswochen Arosa (über 120 Kurse) auch die Arosa Music Academy – Meisterkurse auf höchstem Niveau. Das Leiterteam wird von Markus Fleck vom casalQuartett zusammengestellt. Ihm gelingt es jedes Jahr aufs Neue, international gefragte Künstler und Pädagogen für die Arosa Music Academy zu gewinnen.
Markus Fleck, Sie leiten seit der Gründung vor drei Jahren die Arosa Music Academy. Was ist das besondere an diesen Meisterkursen?
Die normale Musikhochschule befindet sich in einem städtischen Umfeld mit all seinen kosmopolitischen Reizen und Ablenkungen. Die Ansprüche an die Studierenden sind vielfältig. Da fragt sich, wieviel emotionale Vertiefung in der Musik und Raum für die Beschäftigung mit der eigenen künstlerischen Persönlichkeit bleibt, wenn der Ausbildungsapparat permanent und gnadenlos auf Hochtouren läuft.
Und das soll bei Meisterkursen anders sein?
Ja. Das Lernen bei einem Meisterkurs ist auf die Kernpunkte des musikalischen Lernens ausgerichtet: Die Schärfung der musikalischen Reife und die instrumentale Beherrschung. Allerdings in einem völlig aus dem alltäglichen Kontext gerissenen Umfeld, das Distanz schafft und höchste Konzentration ermöglicht. In Arosa ist dies ausgeprägt der Fall, weil Arosa geographisch eine Sackgasse ist. Man ist nicht nur dem Himmel wortwörtlich näher, sondern steht auch über den Dingen, die aus der Höhe betrachtet an Bedeutung verlieren. Es ist ein Elysium – ein forderndes, anstrengendes zwar – aber auch eines, das Kräfte mobilisiert und den Weg zurück fast schmerzhaft macht. Übrigens auch für die Professoren!
Wie sieht ein «normaler» Kurstag in Arosa aus?
Der Einzelunterricht zieht sich über den ganzen Tag. Je nach Wunsch erhält jeder Studierende auch Kammermusikunterricht. Am späten Nachmittag und am Abend gibt es Vorspiele und Konzerte. Natürlich bleibt auch Raum für das eigene Studium. Und später am Abend trifft man sich zum geselligen Austausch über die Musik und die Welt.
Weshalb werden bei solchen Kursen so grosse Fortschritte erzielt?
Alles ist wie in einem Brennglas. Man ist der sonstigen eigenen Welt für eine Woche entrückt. Man befindet sich im Ausnahmezustand, der Freiheit für einen schnellen Fortschritt gibt, der aber jeden Tag auch gleich wieder hinterfragt, gedeutet, kommentiert wird. Das ist streckenweise sehr anstrengend, aber auch berauschend. Man lernt neue Pädagogen und andere Musiker kennen, deren Input gigantisch ist und alle Prozesse beschleunigt, künstlerisch wie menschlich.
An den Kursen nehmen Studierende aus dem In- und Ausland teil. Wie wichtig ist dieser internationale Austausch?
Das Internationale an den Kursen ist im Prinzip nichts aussergewöhnliches, das haben die Studierenden auch an den Hochschulen. Nur die Begegnung zwischen den Musikern ist in Arosa viel leichter, weniger anonym. Die Abgeschiedenheit des Ortes, die Nähe zu den Professoren und Studierenden mit geringen Distanzen in Fussweite, das gemeinsame Musizieren, das abendliche Bier, da wachsen alle blitzschnell zusammen und Freundschaften entstehen.
Als Kursleiter stehen in Arosa namhafte MusikerInnen im Einsatz. Was motiviert Sie alle, Ihr Können und Wissen jungen Musikern weiterzugeben?
Es gibt nichts Schöneres, als die erworbene Kenntnis über die eigene Kunst weiterzugeben, das ist ein Geschenk für jeden Musiker. Und man bekommt auch unendlich viel zurück: Enthusiasmus zum Beispiel, fast grenzenlose Offenheit. Der Wille über sich selbst hinaus zu wachsen ist so präsent auf diesen Kursen wie selten in einem normalen Unterrichtsbetrieb. Das alles beflügelt auch die Lehrkräfte nachhaltig.
Was macht Meisterkurse in der Bündner Bergwelt so einzigartig?
Die Bergwelt in Arosa ist ein so bestimmender und präsenter Faktor, dass ein Entzug völlig unmöglich ist. Man badet förmlich in dieser Umgebung, kaum geht die Sonne über den Bergspitzen auf. Das hat etwas fast Unwirkliches, Monumentales. Das wirkt belebend und erhebend, so klischeehaft das klingen mag. Kein Wunder haben Brahms, Wagner und Mendelssohn sich in die Schweizer Bergwelt verliebt und hier fantastische Musik geschrieben. Man wächst über sich hinaus.