Reihe 9 # 53
«Komm, lieber Mai, und mache…» Rasch fallen einem dieser Tage die einst von Wolfgang Amadeus Mozart vertonten Verse ein. Denn die zaghaften Schritte des Frühlings zeigen in diesem Jahr, was nach langen Monaten wieder möglich ist – auch wenn man mit anhaltend unterschiedlichen Wahrnehmungen zu kämpfen hat: Auf der einen Seite das bisweilen enge Zusammenrücken in Bus, Tram oder Supermarkt, auf der anderen Seite all die grossen Theater und Opernhäuser, die mit den Behörden um jeden Platz ringen müssen. Dabei werden dort schon seit jeher die Sitzgelegenheiten eindeutig zugewiesen, mehr noch: Das Publikum hält sich auch daran. Ein Publikum übrigens, das selbst um Vorsicht bedacht ist und sich respektvoll verhält – deutlich sichtbar im Theater Basel, wo man auch als Zeichen der Solidarität und Identifikation die käuflich zu erwerbende, mit dem Hauslogo verzierte Maske trägt.
Unheimlich ist es allerdings, in einem fast leeren Theater zu sitzen, bei dem die mittleren Plätze nach dem Schachbrettmuster belegt werden, die äusseren Flügel und Ränge aber frei blieben. Denn lediglich 50 Glückliche dürfen eingelassen werden – eine verdächtig niedrige Kulturinzidenz für eine geräumiges Haus. Anders (und doch ähnlich) sieht es derzeit im Basler Kunstmuseum aus, das aktuell stolze 700 Besucher empfangen darf. Es war allerdings am vergangenen Samstag erstaunlich leer. Mir hat das dennoch gefallen. Wie oft hat man die Chance, für lange Momente die Bilder eines ganzen Saals für sich allein zu haben, den Blick schweifen zu lassen, sich ungestört durch den Raum zu bewegen, um Formen und Farben aus veränderten Perspektiven neu zu entdecken?
Kaum anders erging es mir bei der Zauberflöte in der Inszenierung von Simon McBurney, die lustvoll verschiedene Schichten des Werkes offenlegt und es dennoch in ehrlicher Weise erzählt. Die Einbeziehung einer Performance, eines Geräuschmachers wie auch von weitflächig projizierten, live entstehenden Kreidezeichnungen auf einer Schiefertafel wirkt geradezu spielerisch, macht aber auch klar, dass sich schon Schikaneder im II. Akt den ernsteren Aspekten der Handlung zugewendet hatte. Eine heruntergekommene, vom dunklen Leben gezeichnete, alternde Königin der Nacht und der mit seinen Aktenträgern die Weisheit bloss verwaltende Sarastro bilden die Pole, zwischen denen Pamina und Tamino hier buchstäblich auf der Bühne balancieren. Beglückend, wie mit den sorgsam eingesetzten modernen Mitteln eine neue Imagination möglich wird. Das in sich geschlossene, meist gut bis sehr gut besetzte Ensemble wurde vom Sinfonieorchester Basel unter der Leitung von Francesc Prat prächtig unterstützt: klein besetzt und ausgewogen, erfreulich agil, die Blechbläser gar auf alten Instrumenten mit der entsprechenden klanglichen Raffinesse. So wie dieser Abend zündete, so tut es auch nach Monaten die Magie dieser Tage: We are open!
Ihr
Michael Kube
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- Fotos: mku
- Mozarts Zauberflöte – auf der Kreidetafel kommentiert