Reihe 9 # 20
Wettbewerbe sind wichtig. Jedenfalls für all die jungen Musikerinnen und Musiker, die als Virtuosen den Konzertsaal erobern wollen. Bei diesen Konkurrenzen ist es wie im realen Leben: Es gibt die kleinen, die grossen und die richtig wichtigen Adressen, die einem Tür und Tor öffnen: Am Klavier ist es der in Moskau ausgetragene internationale Tschaikowsky-Wettbewerb, auf der Violine der Concours Reine Elisabeth in Brüssel. Doch selbst der kurzzeitige Glamour eines 1. Preises kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass erst danach die wahre Bewährungsprobe beginnt. Schaut man in die Ergebnislisten, so begegnen einem Dutzende von Preisträgern, deren Hoffnungen sich am Ende nicht erfüllt haben. Denn für den Erfolg kommt es nicht allein auf das Können an: Das Business ist hart und von «Vitamin B» wie auch vielen Zufällen geprägt.
Noch schwieriger hatten und haben es Komponisten. Einen Wettbewerb von Renommee gab es nie – selbst der Berliner Mendelssohn-Preis (1879–1936) verstand sich eher als Nachwuchsförderung. Spuren hinterlassen haben nur singuläre Unternehmungen wie der legendäre Wiener Sinfonien-Wettbewerb (1835) und der mit viel Aufwand betriebene internationale Schubert-Wettbewerb (1928). Im ersten Fall siegte ein langes Werk, ohne wirklich ein grosser Wurf zu sein (Franz Lachner, op. 52), im anderen provozierte der Komponist bald selbst einen kleinen Skandal (Kurt Atterberg, op. 31). Wohl nur in Kopenhagen hatte man mit Niels W. Gade und seiner Ossian-Ouvertüre (1840) einen guten Griff getan – doch in diesem Fall war die Teilnahme des Komponisten nachdrücklich erbeten worden …
Auch wenn eine Jury und die von ihr getroffenen Entscheidungen nicht immer über jeden Zweifel erhaben sind, so basieren letztere hier doch auf einer konkreten Aufführung bzw. einer einsehbaren fertigen Partitur. Was aber, wenn bei einem Regie-Wettbewerb vorzeitig nur das Konzept, nicht aber die reale Inszenierung ausgezeichnet wird? Dass dabei die Papierform mitunter mehr überzeugt als das künstlerische Ergebnis, zeigte sich bei der letzten Premiere der vergangenen Spielzeit am Mannheimer Nationaltheater. Gesucht waren Sichtweisen auf Mozarts Don Giovanni, die sich «radikal, unterhaltsam, futuristisch, historisch, destruktiv, affirmativ oder anarchistisch mit dem europäischen Mythos auseinandersetzen». Schon im Programmheft wurde ein Missverständnis deutlich: Man hatte das «oder» der Ausschreibung als ein «und» verstanden. Und tatsächlich war die preisgekrönte Inszenierung von Ekaterina Vasileva weder die vermeintlich gesuchte «eierlegende Wollmilchsau» (Zitat) noch wirklich herausragend. Gleich einem skizzierten Comic wurde bloss Bild an Bild gereiht, ohne dass die Spirale der drohenden Höllenfahrt sich überhaupt in Gang gesetzt hätte. Höllenfahrt? Am Ende wurde Don Giovanni von einem riesigen aufgeblasenen Frauenfuss wie ein Mistkäfer zertreten, während die drohenden Stiefel des Komturs am Rande standen. Das mag zwar originell sein, war aber eindeutig zu wenig. Hier haben sich gleich alle verhoben.
Ihr
Michael Kube
-
- Foto: © Hans Jörg Michel