Reihe 9 # 51
Auch wenn ich bei all den digitalen Angeboten mehr und mehr ermüde und mich nach Livemusik im grossen Format sehne – manch eine Veranstaltung hätte ohne die geschlossenen Häuser nie und nimmer den Weg in meinen Kalender oder gar auf den Reiseplan gefunden. So auch die Finalrunde des von den Montforter Zwischentönen (Vorarlberg) nun schon zum siebten Mal in Folge ausgelobten Hugo-Wettbewerbs für innovative Konzertformate. Teilnahmeberechtigt sind Einzelpersonen und Teams aus dem deutschsprachigen Raum (DACH, Teilnehmende aus der CH); gesucht wird ein auf 60 Minuten angelegtes Konzept für ein Konzert, das für einen feststehenden Aufführungsort massgeschneidert wird. Dem Sieger winkt nicht nur ein kleines Preisgeld, sondern auch ein Produktionsbudget für die Umsetzung im Rahmen des Festivals. In diesem Jahr stand das 1493 erbaute Schloss Amberg im Fokus.
Soweit vielleicht nichts Besonderes, sind doch schon seit Jahrzehnten ausgeräumte Kuhställe oder Industriebrachen Orte geworden, an denen Musik nicht bloss in einem anderen Umfeld gehört werden kann, sondern die auch als ausserordentliche architektonische Räume zu neuen Präsentationsformen einladen. Das Hugo-Finale wurde bisher in Feldkirch öffentlich ausgetragen. Diesmal ermöglichten die aktuellen Umstände «nur» einen am 1. März produzierten Live-Stream für das obligatorische Publikumsvoting (als fünfte Stimme neben der vierköpfigen Fachjury), der auch weiterhin im Netz verfügbar ist (Link zum Finale).
Mit solch einem öffentlichen Streaming sind freilich auch Vor- und Nachteile verbunden, lassen sich doch im Nachhinein manche Mechanismen offenlegen. Bedauerlich ist es etwa, dass die eingereichten schriftlichen Konzepte nur der Jury zur Verfügung standen, das Bildschirm-Publikum sich aber bloss auf die von den Teams produzierten Kurzvideos beziehen konnte. Dass sich allerdings die mit allen Unterlagen ausgestattete Jury der Macht der ästhetisch ansprechend und technisch auf hohem Niveau produzierten audiovisuellen Beiträge nicht entziehen konnte, enttäuschte. Für mich entstand eine deutliche Schieflage – inhaltlich wie auch hinsichtlich der angestrebten «maximalen Transparenz». Mehr aber noch stellt sich die Frage, ob wirklich Konzertkonzepte gesucht wurden oder nicht doch eher ein Konzeptkonzert, das (so wurde in der Jury-Diskussion deutlich) idealerweise aktuelle, gesellschaftskritische und partizipative Aspekte aufweisen sollte. Eine Diskrepanz, die sich teilweise auch in den Projekten widerspiegelte.
Am Ende blieb der Eindruck haften, dass im Finale nicht mehr das eigentliche Konzept, sondern die filmische Selbstinszenierung die Entscheidung dominierte. Insofern wird dieser Stream für künftige Bewerber interessant sein, nicht allein mit Blick auf die «Qualitäten und Perspektiven neuer Konzertformate» und das Finden einer eigenen «Haltung» dazu, sondern auch in Bezug auf die Trigger, die den Erfolg ausmachen.
Ihr
Michael Kube
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- Szene aus dem Video vom «Kollektiv Contemporament» (Bern und Nürnberg)