
Kemal Akçağ
Alter: 59
Berufsbezeichnung: Musiker
Werdegang: Städtisches Konservatorium Istanbul, ZHdK, Tonhalle-Orchester Zürich
heutige Position: Musikalischer Leiter des Sinfonie-Orchesters Meilen, des Kleinen Zürcher Ensembles, der Sommer-Musikwochen Orchester in Laax. Pädagoge und Musikwochen-Leiter.
Was verbinden Sie in der Musik mit dem Begriff «Karriere»?
Eine gute Frage! Was ist eigentlich eine Karriere in der Musik? Ist es, wenn ein Musiker sehr gefragt ist und deswegen hohe Gagen hat? Oder wenn ein bescheidener Musiker mit seiner Interpretation alle Herzen berührt?
Sind Sie ein Einsteiger, Aufsteiger, Umsteiger, Aussteiger?
Ich bin einfach alles, ausser Aussteiger.
Welche Erwartungen haben Sie an Ihre Karriere?
Ich wollte schon als kleines Kind Violinist werden. Das bin ich auch geworden. Mein Vorbild war Yehudi Menuhin, als Geiger und als Mensch. Erwartet habe ich nicht mehr als das, was ich nun geworden bin.
Welchen Stellenwert hat die berufliche Karriere in Ihrem Leben?
Einen nicht sehr grossen. Ich wollte nur mit meiner Violine so schön wie möglich spielen und in einem guten Orchester wie dem Tonhalle-Orchester Zürich mein Leben verdienen und mit meiner Familie glücklich sein. Das hatte ich und habe ich auch.
Wie weit ist eine Karriere planbar, ein Ziel erreichbar? Haben Sie positive oder negative Erfahrungen?
Meiner Meinung nach ist eine Karriere nicht machbar, sondern die Karriere kommt bei einem echten Künstler von selbst. Ausserdem wird die Entstehung der Karriere immer durch andere Menschen entschieden. Eine selbst geplante Karriere ist wie eine schön geformte Eisskulptur, die nach und nach schmilzt, am Ende bleibt nichts mehr übrig.
Wie ist das Verhältnis von Planung und Arbeit gegenüber Zufall, Glück und Unglück?
Ich würde sagen, 50 % zu 50 %. Es kann aber, je nachdem, mal das eine, mal das andere etwas mehr oder weniger wiegen.
Gab es einen unerwarteten Karrieresprung oder auch Karriereknick und was löste er aus?
Nach meinem Hochschulabschluss ging immer alles optimal vorwärts: vom Zuzüger der zweiten und ersten Violinen bis zur Position des stellvertretenden Konzertmeisters, als Solist und als Dirigent stand ich vor dem Tonhalle-Orchester Zürich – bis zu meinem Gehörsturz.
Wie schätzen Sie Brüche in Ihrer Karriere und/oder in der Karriere anderer ein?
Meiner war brutal! Ich musste, was ich jahrelang erarbeitet und mit Sorgfalt gepflegt hatte, fast gänzlich aufgeben. Im Gegensatz zu mir, hat ein lieber Kollege, der in unserem Orchester eine Topstelle hatte, plötzlich eine Hühnerfarm im Ausland übernommen! Vielleicht war das für ihn Glück?
Was war Ihrer Karriere besonders förderlich, was besonders schädlich?
Besonders förderlich waren meine hervorragenden Lehrer, für Violine Lilly Statzer-Székely (Istanbul), Anton Fietz (Zürich) und Josef Sivo (Wien) und fürs Dirigieren Michel Tabachnik (Schweiz).
Besonders schädlich ist der Lärm, auch wenn er öfter schön tönt.
Empfinden Sie Ihre Karriere (bisher) als gelungen?
Ja.
Muss man als Musiker stärker an seiner Karriere arbeiten als in einem anderen Beruf?
Es hängt davon ab, wie begabt der Musiker ist.
Können Musikerkarrieren «von aussen» (von Lehrern, Agenten, Medien) gemacht werden?
Im Prinzip schon, ja. Aber weil man sie hören kann, dauert das meist nicht allzu lange. Über die längerfristige Karriere entscheidet meist das Publikum und nicht Agenten oder Medien.