Werbemassnahmen in Pandemiezeiten 
"We're Still Standing"

"We're Still Standing"

Anicia Kohler, 27.08.2020

Wie können wir Werbung für unser Angebot machen, wenn unsere Türen verschlossen sind? Die Schweizer Musikschulen zeigten sich in den letzten Monaten kreativ

 Vor der letzten Delegiertenversammlung bat der VMS Musikschulen um einen Einblick in ihre Tätigkeiten während dem Lockdown. Zusammengekommen ist ein eindrücklicher Beweis dafür, wieviel Engagement Lehrpersonen und Schulleitungen an den Tag legten. Herausfordernd war nämlich nicht nur die plötzliche Umstellung auf den Fernunterricht, sondern auch die Absage von Schülerkonzerten und Instrumentenvorstellungen. Die kreativen Ideen der Musikschulen – es folgt eine kleine Auswahl davon – fanden auch in den lokalen und regionalen Medien Beachtung.

Digitale Konzerte und Livestreams
Zahlreiche Musikschulen führten Konzert- und Livestreamformate ein. Das Conservatoire de Musique Neuchâtel zum Beispiel startete am 10. April das Format „18 en musique“, mit einem täglichen Konzert auf Facebook und der Website. Es spielen Lehrpersonen oder Schülern, letztere häufig von Tomplay begleitet – die App wurde allen Schülern während der Lockdownzeit kostenlos zur Verfügung gestellt. Die Videos wurden teilweise über zweitausend Mal angeklickt. „Der Aufwand für das Filmen, die Bearbeitung des Tons und den Schnitt ist hoch, aber er ist es definitiv wert!“, sagt Schulleiter Sylvain Jaccard. Auf Livestreams setzte die Musikschule Weinfelden. Es gab interne Streams, zum Beispiel für Instrumentenklassen, und öffentliche Streams mit Konzerten, Instrumentenvorstellungen und Theoriehäppchen. Gerade letztere sorgten für überraschende Feedbacks – von Erwachsenen, die sich zum Beispiel freuten, dass sie dank dem Video zum „Tonleiterrezept“ die Tonleiter nun endlich verstünden.

Tonleiterrezepte from Musikschule Weinfelden on Vimeo.

 

 „Die Lehrkräfte haben ein sehr, sehr gutes Angebot gemacht“, sagt Andreas Schweizer. Er sieht im Format Livestream Potential, und hat von einer Kamera auf drei Kameras aufgerüstet, so dass das Bild in Zukunft live geschnitten werden kann. Auch beim Ton setzt er auf hohe Qualität. „Wir möchten Livestreams nachhaltig nutzen“, sagt er.
An der Musikschule Arbon sorgte ein eigens komponierter Song für Zusammenhalt. Die Sopranistin Alexa Vogel schrieb das Stück „Mir singed mitenand“, es wurde ein Playback vorbereitet, und Musikschüler wurden eingeladen, sich beim Mitsingen und -spielen zu filmen. ((verlinken mit: https://www.musikschule-arbon.ch/mir-singen-mitenand/)). „Wir haben durchwegs positive Feedbacks erhalten“, sagt Schulleiterin Julia Kräuchi.
Die Musikschule Region Laufenburg rief eine „Video-Challenge“ aus. Die Schüler durften ein Video à 45 Sekunden einschicken, mit einem gespielten Song, einem Groove oder einer Musikübung. Bewertet wurde nicht nur das musikalische Können, sondern auch die Originalität des Videos. Das Spektrum der Einsendungen war gross – gespielt wurde auf einem Bein, unter freiem Himmel oder mit Maske, und zwar Musik von Pop bis Volksmusik. ((verlinken mit: https://www.msrl.ch/index.php?ds=2309)).

Instrumentenvorstellungen mit dem gewissen Etwas
Dass die Würze in der Kürze liegt, bewies die Musikschule Dietikon. Alle Lehrpersonen wurden aufgefordert, einen Werbeclip von 30 Sekunden für ihr Instrument zu erstellen. „Das haben alle ganz nach ihrem Gusto umgesetzt“, sagt Schulleiterin Daniela Jordi-Körte. Der gleichzeitig lancierte Wettbewerb mit Fragen wie: welche Lehrperson trägt gelbe Turnschuhe? führte dazu, dass die Zuschauer sich nicht nur das Video des Lieblingsinstruments anschauten. Zu gewinnen gab es Gutscheine von lokalen Geschäften in Dietikon.
Die Musikschule Bremgarten nahm sich das bekannte Instrumentenmärchen «Das Musikzauberschloss» vor. Das Stück wurde gemeinsam mit Komponistin Evi Güdel-Tanner bearbeitet und auf 20 Minuten gekürzt, und die Lehrpersonen filmten ihre Rollen von zuhause aus. Der Gesamtschulleiter war vom entstandenen Video so begeistert, dass er es für alle Primarklassen ins Homeschooling-Pflichtprogramm aufnahm. Dies führte dazu, dass Musikschulleiter Niki Wüthrich von verschiedenen Schülern nach dem Lockdown auf dem Pausenplatz auf seine Rolle angesprochen wurde – „Sie sind doch der Zauberer vom Video?“

Etwas zurückgeben
Mehrere Musikschulen lancierten Aktionen, um etwas zurückzugeben oder Menschen etwas Gutes zu tun. Dazu gehören zum Beispiel die Musikschulen Schwyz, Brunnen und Steinen, die in einer erstmaligen gemeinsamen Aktion ihre Schüler dazu aufriefen, Ostergrüsse per Video zu erstellen. Die Videos waren unter anderem den Bewohnern von Alterszentren in der Umgebung, gewidmet. „Wir wollten den älteren Menschen mit der Musik eine Freude bereiten“, sagt Silvia Simeon, Leiterin der Musikschule Brunnen. Die Videos sollten eine Gegenstimme zur vorherrschenden Weltuntergangsstimmung sein, ergänzt Domenico Emanuele, Schulleiter der Musikschule Schwyz. Der Dank für die Videos kam per Post – mit einer Karte, die von zahlreichen Bewohnern des Alterszentrums persönlich unterschrieben worden war.
Die Jugendmusik Chur verzichtete trotz Absage des Jahreskonzerts nicht auf die traditionelle Kuchenback-Aktion. „Uns haben zum Beispiel die Buschauffeure leid getan, die allein und abgesperrt herumkurven mussten“, sagt Leiter Raimund Hächler. Die Mitglieder backten die Kuchen trotzdem und verschenkten sie an die „Helden des Alltags“, an Pflegepersonal, Medienleute und die erwähnten Buschauffeure. Der Dank dafür kam diesmal unter anderem am Radio – die Redaktionsmitarbeitenden bedankten sich via Äther für den Kuchen, den jemand persönlich vorbeigebracht hatte.

Hoffnung auf einen guten Start
Auch im Tessin haben die Musikschulen mit zahlreichen Aktionen dafür gesorgt, dass die Musik nicht verstummte. Aufgrund der Nähe zu Italien und viel höherer Fallzahlen im Frühling ist vielerorts aber eine deutliche Besorgnis zu spüren. „Der Lockdown ist bei uns sehr gut gelaufen“,
sagt Emilio Pozzi von der Accademia Ticinese di Musica. Die Schüler hätten im Online-Unterricht gut mitgemacht und mehr geübt. „Uns beschäftigt aber das nächste Schuljahr. Es könnte zahlreiche Stornierungen geben.“ Die Lehrpersonen der Scuola Musicando in Bigorio verabschiedeten sich mit einem mit Verve gespielten Video vom Finale von Camille Saint-Saëns’ Karneval der Tiere in die Sommerpause. „Wir hoffen darauf, alle Aktivitäten der Musikschule nach der Sommerpause wieder voll und ganz aufnehmen zu können“, schreibt der künstlerische Leiter Matteo Sarti dazu. 

I’m still standing – ich bin immer noch da!
Die Musikschule Chur hatte für das Jahresabschlusskonzert der Bandworkshops ein gemeinsames Finale mit dem Stück „I’m still standing“ von Elton John geplant. Schulleiter Andi Schnoz entschied, es beizubehalten und als Video umzusetzen. „Der passende Songtext war glückliche Fügung“, sagt er. „Er hat etwas sehr Aufbauendes und zeigt: egal, was mir passiert, ich lasse mich nicht unterkriegen!“