Ein Schweizer Start-up entwickelt erfolgreiches Lerntool.  

FMB 2020: Unternehmerisches Denken in der Bildung

Niklaus Rüegg, 29.11.2019

Was hat risikofreudiges Unternehmertum mit der musikalischen Bildung zu tun? Jan Rihak erklärt am FMB das Prinzip Start-up.

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Jan Rihak sieht unternehmerische Nuclei bei den Musikern.

Niklaus Rüegg — Unter neu gegründeten Firmen, sogenannten Start-ups, finden sich auch solche, die sich mit Bildungsinhalten befassen. Eine davon ist «Classtime», eine webbasierte Partizipations- und Prüfungsplattform für den modernen Unterricht. Einer der Mitgründer des gleichnamigen Unternehmens ist Jan Rihak aus Zürich. Rihak hat an der ETH Informatik studiert und an der Judge Business School der University of Cambridge in England einen Master of Business Administration (MBA) gemacht. Er arbeitete als Consultant in leitender Position bei McKinsey in Zürich und als Stratege bei der UBS. Zwischenzeitlich hat er bei einem NGO gearbeitet, das Kindern und Jugendlichen in Kenia den Schulbesuch ermöglicht. Im Jahr 2012 hat er mit «MoneyPark AG» schon einmal ein sehr erfolgreiches Start-up im Finanzbereich gegründet, doch es war schon immer Rihaks Wunsch, sein technologisches Wissen mit dem Bildungsbereich zu verbinden.
Das Konzept von «Classtime» hat er zusammen mit dem Partner Valentin Rüst entwickelt und 2016 gründeten sie eine Firma. Heute wird das Programm international bereits sehr breit genutzt. 18'000 Lehrpersonen in der Ukraine, den USA und in der Schweiz sind begeistert davon. Insgesamt 12 Mitarbeiter arbeiten inzwischen für das Start-up. Classtime erlaubt eine Echtzeit-Diagnostik in der Schulklasse. Es kann in Testsituationen, aber auch semiformal oder als Lernkontrolle eingesetzt werden. Dem Programm sind Fragenbibliotheken angegliedert, die sämtliche Wissensgebiete umfassen und ständig ausgebaut werden. Die Nutzer schätzen die einfache, aufgeräumte Bedienerführung bei einer gleichzeitigen fachlichen Professionalität und Tiefe. Classtime ist geprägt durch ein kollaboratives Prinzip und das Ziel, als gesamte Klasse besser zu werden. Als didaktisches Hilfsmittel wird es gezielt eingesetzt und ist kein Ersatz für die Lehrperson.

Modellcharakter für Musikschulen?
In seinem Referatstitel «Start-ups: ein unternehmerischer Spirit mit Modellcharakter für Bildungsinstitutionen?» wirft Rihak eine Frage auf, die auf den ersten Blick nicht zum öffentlich-rechtlichen Bildungssystem der Musikschulen passt. «Ein unternehmerischer Spirit» sei aber bei genauerem Hinsehen angesichts des umkämpften Unterrichtsmarkts sehr zu empfehlen, denn auch die Musikschulen seien Veränderungen unterworfen, stellt Rihak fest. Es gibt innovative Lehrpersonen, die nebenher Projekten unterhalten. Dies seien Nuclei, aus denen etwas Eigenes entstehen könne. Er empfiehlt eine iterative Arbeitsweise, welche darin besteht, «sich einem Ziel punktuell, schrittweise und interaktiv zu nähern». Als Start-up-Gründer müsse man überzeugt sein von seinem Produkt, es brauche Leidenschaft, viel positive Energie und Resilienz, um Rückschläge zu verkraften.

Das Kerngeschäft des traditionellen Vokal- und Instrumentalunterrichts ist nach wie vor analoger Natur, doch ist der Musik- und Instrumentalunterricht digital durchdrungen wie kaum ein anderer Bereich. Es gibt eine unüberschaubare Anzahl an Lern- und Lehrmittel in Form von Apps und webbasierten Programmen. Für Rihak eignet sich «Classtime» in der Musikausbildung vor allem für den Theorie- und Klassenunterricht. Demnächst werden auch «Usecases» für Musikschulen eingearbeitet und eine Funktion für Audioclips eingeführt. Sie sollen das Hörverständnis schulen, Analyse von Stücken unterstützen und das Notenlesen voranbringen — Und mit diesen Features sind wir mitten im Instrumentalunterricht angekommen.