Grundlagenpapier zum Wert des Musizierens bei Menschen mit Migrationshintergrund 

Leitfaden «Integration durch Musikalische Bildung»

Niklaus Rüegg, 25.03.2019

Auch bei Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund trägt die kulturelle Bildung wesentlich zur Identitätsfindung bei. Diese Kinder und Jugendlichen bringen besondere Bedürfnisse mit. Der VMS hat Ende letzten Jahres dazu ein Grundlagenpapier mit Fokus auf die musikalische Bildung präsentiert.

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Niklaus Rüegg – Die herausragende Rolle des Musizierens beim Integrationsprozess ist längst bekannt. Die Musikschulen stehen in besonderer Verantwortung, auch kultur- und bildungsferne Bevölkerungsgruppen vermehrt für eine musikalische Ausbildung zu gewinnen. 27 Prozent der Kinder und Jugendlichen unter 14 Jahren haben in der Schweiz gemäss Bundesamt für Statistik (BFS) einen Migrationshintergrund. Zu dieser Gruppe gehören «Personen aus¬ländischer Staatsangehörigkeit, eingebürgerte Schweizerinnen und Schweizer und gebürtige Schweizerinnen und Schweizer mit Eltern, die beide im Ausland geboren wurden». Die Integration von Menschen mit Asyl- und Flüchtlingshintergrund ist besonders anspruchsvoll und bedingt spezifische Angebote, zumal die Betroffenen häufig der Sprache nicht mächtig sind, unsere Kultur ihnen fremd bleibt und ihre örtlichen Sozialkontakte eingeschränkt sind.

Gesetzeslage untermauert Handlungsbedarf
Eine vom VMS eingesetzte Arbeitsgruppe, bestehend aus erfahrenen Musiklehrpersonen, Fachpersonen aus dem Bereich Integration und Mit¬gliedern von Integrationsgruppen, stützten sich bei der Erarbeitung des Leitfadens auf bestehende gesetzliche Grundlagen: das «Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration» (2005) und die dazu gehörige Verordnung von 2007, in der die «chancengleiche Teilhabe der Ausländerinnen und Ausländer an der schweizerischen Gesellschaft» postuliert wird. Die Integration sei eine «Querschnittsaufgabe» verschiedenster Organisationen, zu denen insbesondere die Schulen gehören, ist da unter anderem zu lesen.
Als internationale Grundlagendokumente wurden die UN-Konvention über die Rechte des Kindes (1989) und die UNESCO-Deklaration über «Bildung für alle» (1990) legitimierend beigezogen. Im Jahr 1998 erhob die UNESCO die Entfaltung der kul¬turellen Identität in den Rang eines Menschenrechts. Direkter Handlungsanreiz war für den VMS schliesslich die Massnahme 22 des BAK-Berichts von 2013 im Rahmen der Umsetzung von BV Art 67a: «Verstärkte Gewinnung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund oder aus bildungsfernen Familien».

Konkrete Handlungsempfehlungen
Das Dokument bietet sowohl theoretische Grundlagen als auch nützliche Anregungen für die Praxis. Nach den einleitenden gesetzlichen und begrifflichen Klärungen folgen Vision und Leitbild. Die Vision betont die Chancengleich¬heit, die kulturelle Teilhabe und die soziale Integration und begreift den interkulturellen Austausch als Mehrwert für die Gesellschaft. Das Leitbild subsumiert die Integrationsarbeit in den Begriffen «informieren», «integrieren», «unterstützen», fasst sie auf als gemeinsame Aufgabe der Musikschulen, der Volksschule und der Integrationsfachstellen, betont den gegenseitigen Respekt für die jeweilige kulturelle Identität und sieht die Erweiterung des Unterrichtsangebots durch die kulturelle Vielfalt als Chance. In den folgenden Kapiteln werden Angebote, Inhalte und Massnahmen der Musikschulen zur Integration von Kindern und Jugendlichen, Erfolgsfaktoren und konkrete Handlungsempfehlungen ausgesprochen. Im reichhaltigen Anhang finden sich schon bestehende, erfolgreiche Integrationsangebote, nützliche Adressen, Weiterbildungsangebote sowie eine Literaturliste.

Musikschulen sind gut unterwegs
Nach Ansicht der Arbeitsgruppe fördert die Auseinandersetzung mit künstlerischen Ausdrucksformen «sowohl die soziale und kommunikative Kompetenz als auch Toleranz, Eigeninitiative und die Kreativität der Kinder und Jugendlichen». Die kulturelle Bildung trage wesentlich zur Entwicklung von Schlüsselkompetenzen bei und sei ein entscheidender Faktor der Zukunftsgestaltung unserer Gesellschaft. Musikschulen können diesbezüglich einen wesentlichen Beitrag leisten. Diese Aufgabe wird von vielen Musikschulen bereits heute wahrgenommen. Ein Blick auf die Beiträge der VMS-Best Practice-Wettbewerbe von 2016 und 2018 bestätigt diese Beobachtung: der überwiegende Anteil der in den Kreis der Finalisten aufgenommenen Projektbeiträge enthalten Angebote und Inhalte, die direkt oder in adaptierter Form in Integrationsprojekten für Jugendliche und Kinder mit Migrationshin¬tergrund zur Anwendung kommen können.
Der neue Leitfaden ist nach der Verabschiedung durch die DV auf der VMS-Webseite einzusehen.