Unterricht in neuen Räumen
Ein Musikschul-Neubau ist in der Schweiz eine Seltenheit. In Liestal wurde der Traum Wirklichkeit.
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- Foto: Niklaus Rüegg
- Architekt Andreas Scherer (links) und Schulleiter Frank Josephs sind stolz auf ihren Musikschulneubau.
Niklaus Rüegg – Der basellandschaftliche Kantonshauptort besitzt eine vergleichsweise lange Musikschul-Tradition. Im Jahr 1950 wurde die «Blockflötenschule Liestal» gegründet. Vierzehn Jahre später wurde sie in «Jugendmusikschule Liestal» umbenannt und erweitert. 1989 feierte die Musikschule ihr 25-jähriges Jubiläum und gleichzeitig wurde der Zusammenschluss mit acht weiteren Gemeinden zu einem Zweckverband vollzogen.
Über dreissig Jahre lang funktionierte die Schule «dezentral», das heisst, es gab kein Stammgebäude. Erst Ende der Neunziger Jahre konnte auf dem Gelände der Primarschule Burg ein Musikschulzentrum mit neun Unterrichtsräumen und einem Sekretariat bezogen werden. Weiterhin wurden verschiedene «Aussenstationen» bedient. Die Umstrukturierungen im Zusammenhang mit dem Harmos-Konkordat bedeuteten vor ein paar Jahren schon wieder das Ende des Zentrums. Das Schulgebäude wurde wieder für die Regelschule benötigt und die Musikschule in ein Provisorium verschoben.
Qualität und Talent
Die Regionale Musikschule Liestal (RML) war unter Hector Herzigs Leitung (1992 bis 2007) unter anderem Vorreiterin im Qualitätsmanagement und in der Talentförderung. Bevor im Schuljahr 2008/09 die «Talentförderung Baselland» ins Leben gerufen wurde, hatte Herzig unter dem Namen «Esprit» bereits ein schuleigenes Förderprogramm eingeführt. In den neun Jahren, in denen das kantonale Programm inzwischen existiert, war Liestal stets an der Spitze, sowohl bei denen, die die Aufnahmeprüfung schafften als auch bei den Preisträgerinnen und Preisträgern des kantonalen Wettbewerbs «Konzertpodium». Das wurde dank kompetenter und engagierter Lehrpersonen möglich. Einer der jüngeren Power-Lehrpersonen ist der Cellist Guillermo Pastrana. Von seinem Vorgänger Wolfgang Löffler übernahm Pastrana vor zweieinhalb Jahren eine engagierte Klasse mit einigen Talenten. Mit viel Enthusiasmus und Energie entfachte er eine grosse Begeisterung für das Instrument und konnte seine Klasse in der kurzen Zeit so stark vergrössern, dass eine zweite Lehrperson eingestellt werden konnte.
Die 13 Talentschülerinnen und Talentschüler der RML sind im Schuljahr 2016/17 mit sieben Instrumenten vertreten. Stark sind traditionell der Gesang, die Violine und das Cello. Aktuell entfallen je drei Teilnehmende auf diese Fächer.
Wenn der Zufall spielt
Als Frank Josephs im Sommer 2014 die Leitung der Schule übernahm, fiel ihm die undankbare Aufgabe zu, nach neuen Räumlichkeiten zu suchen. Als am Anfang dieses Jahres bekannt wurde, dass das Provisorium bereits innert Jahresfrist wieder geräumt werden müsse, kam er unter Zugzwang. Unter den zur Wahl stehenden Optionen konnte keine voll überzeugen. Als er von der Not der RML erfuhr, schlug der Architekt und Vater von drei Musikschulkindern, Andreas Scherer, der Schulleitung vor, ein im Frühling 2016 bereits im Bau befindliches Mehrfamilienhaus an der Kasernenstrasse 68 kurzfristig in eine Musikschule umzufunktionieren. Der Neubau sollte sich schliesslich nach eingehender Prüfung von den Kosten und von der Lage her als das attraktivste Angebot erweisen. Das Raumprogramm konnte, abgesehen von den bereits geplanten tragenden Mauern, noch verändert und den Bedürfnissen der Musikschule angepasst werden. Trotz Ausnützens dieser Spielräume ist der Charakter des Wohnhauses, in welches das Gebäude theoretisch mit überschaubarem Aufwand rückgebaut werden könnte, nicht ganz verschwunden. Die Flure sind relativ eng und manche Zimmer räumlich etwas knapp. Doch die Vorteile überwiegen bei weitem. Die Räumlichkeiten sind lichtdurchflutet, gut isoliert und man setzt auf erneuerbare Energien: Solarzellen auf dem Flachdach sorgen für die Heizenergie – auch für das Nebenhaus – und mit der zusätzlichen Pelletheizung können die harten Wintermonate überbrückt werden. Auf nahezu 1200 Quadratmetern stehen 26 Unterrichtszimmer sowie zwei Konzert-, respektive Ensembleräume zur Verfügung. Und im Keller gibt es noch zwei grössere Ausweichräume. Der 100-Quadratmeter-Saal im Nebenhaus, einer ehemaligen Senffabrik, überzeugt mit Cachet und nützlichen Nebenräumen und hinter dem Haus steht ein zauberhafter Naturbereich mit Sitzplatz und Anstoss an den Fluss Frenke zur Verfügung.
In den Sommerferien ist der Einzug angesagt. Dann wird ein Musikschulmärchen, das seinesgleichen sucht, Wirklichkeit.