Musikalische Bildung im europäischen Kontext
Der VMS ist auch auf Europäischer Ebene aktiv. Der Austausch mit der European Music School Union bringt beiden Seiten sehr viel.
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- VMS
- Bunte Begeisterung am EMU-Jugendmusikfestival in Donostia, San Sebastián
VMS setzt auch auf europäischer Ebene aktiv
Niklaus Rüegg – Die European Music School Union (EMU) wurde 1973 als Dachverband der nationalen Verbände gegründet. Die Schweiz war nicht nur Gründungsmitglied, sondern bis 2009 gar Sitz der Organisation (in Liestal / BL).
Der Verband ist Mitglied des European und des International Music Council (EMC und IMC) und umfasst 25 Mitgliedsländer. Sie repräsentieren rund 6000 Musikschulen, 150’000 Lehrpersonen, 4 Millionen Schülerinnen und Schüler und generieren einen Umsatz von 1,5 Milliarden Euro. Seit 2011 ist die Schweizerin Helena Maffli Präsidentin der EMU. Die Geschäftsstelle wird in Berlin durch den Finnen Timo Klemettinen betreut.
Die EMU dient als Informations- und Austauschplattform für Fragen rund um das Musikschulwesen und setzt sich bei Behörden und der Gesellschaft für die Musikalische Ausbildung im Laienbereich wie auch auf Hochschulstufe ein. Die EMU steht im Dialog mit internationalen Institutionen, wie zum Beispiel der UNESCO, dem International Music Council (IMC) und seinen internationalen Organisationen und ist Partner der Association Européenne des Conservatoires AEC. Neben einer Generalversammlung, die jeweils in einem Mitgliedsland stattfindet, treffen sich die Vorstandsmitglieder bis zu vier Mal jährlich. In regelmässigen Seminaren werden mit den Mitgliedern musikschulspezifische Themen aufgegriffen und diskutiert. Alle zwei bis vier Jahre wird ausserdem ein grosses europäisches Jugendmusik-Festival veranstaltet. 2016 fand es im baskischen San Sebastian in Spanien mit weit über 10‘000 jungen Musizierenden aus ganz Europa statt.
Diese Strukturen wurden im letzten Jahr durch regionale Ländergruppen ergänzt, um den kulturellen Aspekten besser Rechnung zu tragen. Die Schweiz arbeitet in den Gruppen der deutschsprachigen (Deutschland, Liechtenstein, Österreich und Gast Luxemburg) und den romanischen Ländern (Frankreich, Italien, Spanien, Belgien, Luxemburg) mit.
VMS-Präsidentin Christine Bouvard engagiert sich seit Jahren stark auf internationaler Ebene. Ende März trafen sich die nationalen Vorstände in Tallinn und am 12. Mai im Rahmen der jährlichen Delegiertenversammlung in Berlin.
Frau Bouvard, welches sind die ausschlaggebenden Argumente, für die sich das internationale Engagement für den VMS lohnt?
Die EMU verfolgt das Ziel, den Zugang zur musikalischen Bildung europaweit in hoher Qualität zu fördern und den Zugang zu einer ganzheitlichen Bildung, die die Kunsterziehung miteinbezieht, zu sichern. Dazu ist der Austausch und die Kooperation unter den Mitgliedsländern von grosser Bedeutung. Der Standard und die Entwicklung der musikalischen Bildung in der Schweiz interessiert und inspiriert unsere Kollegen. Wir wiederum lernen viel von ihren Projekten. Die neu gegründeten Regiogruppen ermöglichen nun auch gemeinsame Projekte für gute Rahmenbedingungen der musikalischen Bildung in kulturell ähnlichen Ländern. Wir wollen uns in unsern beiden Gruppen besonders der Arbeit der Musikschulleitenden im Licht des gesellschaftlichen Wandels annehmen. Dieser Ansatz ergänzt unser nationales VMS – Projekt «Musikschule von morgen» bestens.
Welches waren für Sie persönlich bisher die Highlights auf dem EMU-Parkett?
Besonders eindrucksvoll sind jeweils die Europäischen Jugendmusikfestivals, die unzählige Jugendliche aus den EMU-Mitgliedländern im gemeinsamen Musizieren verbinden. Das nächste steht bereits vor der Tür: 2018 wird Holland Gastgeber im friesischen Sneek sein. Dann schätze ich den regelmässigen Austausch mit den Kollegen aus allen Mitgliedsländern sehr. Die meisten Delegierten nehmen ihr Mandat über einige Jahre wahr, so dass die Kontakte nachhaltig sind. So durften wir zum Beispiel im letzten November auf Einladung unserer serbischen Kollegen das dortige Musikschulwesen kennen lernen und als Schwerpunkt das Thema Integration von jungen Menschen mit Migrationshintergrund vertiefen.
Ende März haben Sie am «Meeting of the Boards» in Tallinn ein Referat gehalten. Welches war der Inhalt und wie sind Ihre Gedanken aufgenommen worden?
Die nationalen Vorstände der Mitgliedsländer treffen sich alle zwei Jahre zu einer gemeinsamen Weiterbildung. Dieses Jahr ging es um das Thema Verbandsmanagement auf nationaler Ebene. Ich durfte den VMS vertieft vorstellen sowie die praktischen Workshops der beiden Tage leiten. Die professionelle Organisation des VMS stiess auf grosses Interesse; besonderen Anklang fand unsere dialogische Arbeitsweise mit der DV, mit den zwei Delegiertenversammlungen sowie einem breiten, themenbezogenen Arbeitstag. Die kompetenzorientierte Zusammensetzung des Vorstandes mit Fachleuten aus verschiedenen Hintergründen, das intensive und nachhaltige politische Wirken und die Vielzahl professioneller Services für die Mitglieder wurden im weiteren stark beachtet. In den Workshops ging es darum, die Bedürfnisse der Verbandsmitglieder und die Strukturen der Landesverbände zu analysieren und Erneuerungen anzudenken.
Nach dem Seminar «Quality in Music Education» Ende April in Prag folgte am 12. Mai die EMU-Generalversammlung in Berlin. Was geschieht an solchen Veranstaltungen?
Auch Musikschulleitende sollen die Gelegenheit haben sich zu aktuellen Themen der Musikschulentwicklung international auszutauschen. Dazu sind die «Capacity building Seminars» der EMU da. In Prag wurde das QM thematisiert. Auch in der Schweiz fanden bereits solche Weiterbildungen statt, etwa zu Themen wie neue Unterrichtsformen. Die Sichtweise und Erfahrungen von Referenten aus ganz Europa fördern den Austausch und schulen den eigenen Blick. In der jährlichen Delegiertenversammlung stehen neben den statutarischen Geschäften meist die Begegnung mit Partnerorganisationen (z. B. AEC), EU-Kommissaren oder internationalen Bildungsforschern im Fokus. Dieses Jahr in Berlin beschäftigten wir uns intern mit der Ausrichtung der Aktivitäten der EMU und verabschiedeten die Vision und Missionstatements der EMU.
Ist die internationale Zusammenarbeit durch die politischen Umwälzungen rund um die EU schwieriger geworden?
In Zeiten der Finanzknappheit in allen Staaten zeigt es sich, dass wir vermehrt auf der Ebene der Beteiligung der öffentlichen Hand an der musikalischen Bildung gemeinsame Sache machen müssen. Die bildungspolitische Arbeit innerhalb der Länder und auf der Ebene der EU, das Formulieren und Leben einer gemeinsamen Botschaft für die musikalische Bildung in Europa, das Einbinden der verschiedenen Kulturen und Sichtweisen gewinnen an Bedeutung und stärken die Zusammenarbeit. Die EMU legt jährlich an Mitgliedern zu und bildet somit Europa immer besser ab. Aktuell stehen Gespräche mit Litauen und Zypern im Raum. Es gibt jedoch auch Schatten, die zu denken geben. So musste der nationale Musikschulverband Grossbritanniens aufgrund ernsthafter Finanzsorgen bereits vor drei Jahren aus der EMU austreten. Dies gefährdet die musikalische Bildung an Musikschulen in einem europäischen Stammland.