Valentin Gloor ist seit Sommer 2016 VMS-Vorstandsmitglied 

Zugewinn an Kompetenzen

Niklaus Rüegg, 25.02.2017

Im letzten Sommer entstand durch die Demission von Helga Loosli eine Vakanz im VMS-Vorstand. Die Position im Ressort Pädagogik konnte prominent neu besetzt werden.

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«Die Schweizer Musikschulen leisten eine eminent wichtige Bildungs- und Kulturaufgabe in unserer Gesellschaft»

Valentin Gloor ist seit Sommer 2016 VMS-Vorstandsmitglied

Niklaus Rüegg – Eine lange Aufwärmphase brauchte Valentin Johannes Gloor, Direktor des Konservatoriums Winterthur, nicht, um sich im Vorstand zuhause zu fühlen. Neben seinem grossen Interesse an bildungspolitischen Fragen bringt er aus seiner früheren Tätigkeit für den SMPV und seiner aktuellen Mitgliedschaft im Vorstand des Verbands Zürcher Musikschulen Erfahrungen in der Verbandsarbeit auf nationaler und kantonaler Ebene mit. Sein Flair für ein konzeptuelles, vernetztes Arbeiten verleiht der Herangehensweise an Verbandsprojekte wertvolle Impulse.
Valentin Gloor hat an der Musikhochschule Winterthur-Zürich und an der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz Sologesang studiert und sein Lehr- und Konzertdiplom mit Auszeichnung erlangt. Mit einer Dissertation im Bereich Artistic Research wurde er 2013 in Graz promoviert. Als Konzertsänger gibt er Konzerte in der Schweiz und den europäischen Nachbarländern und wirkte bei verschiedenen Aufnahmen mit. Er hat an Musikschulen, Kantonsschulen sowie privat Gesangsunterricht erteilt.
Für den SMPV leitete Valentin Gloor die Verselbständigung der SMPV-Berufsausbildung, ihre Überführung ins Bachelor/Master-System und den Aufbau der Kooperation mit der Kalaidos Fachhochschule. Er war Rektor der Kalaidos Musikhochschule und ist seit 2014 Direktor des Konservatoriums Winterthur.

Herr Gloor, Ihr Lebenslauf zeugt von einer seltenen Doppelbegabung als Sänger und Wissenschaftler. Wie haben Sie diese zwei Schienen in Ihrem beruflichen Werdegang miteinander verbinden können?
Im Lauf meiner Tätigkeit bin ich schon mehreren «Musiker-Wissenschaftlern» begegnet. Diese Kombination ist häufiger, als wir vielleicht annehmen. Weil Wissenschaft und Kunst aber bis vor kurzem als zwei strikt getrennte Gebiete betrachtet wurden, können sich solche Doppelinteressen z.B. in der «künstlerischen Forschung» erst heute richtig entfalten. Mir persönlich ist die Verbindung leicht gefallen, weil darin einfach zwei wichtige Herzensanliegen von mir zusammenkommen. Da ist die Verbindung von zwei Elementen keine zusätzliche Belastung, sondern befreiende Inspiration.

Als weitere Station kam die herausfordernde Arbeit als Schulleiter hinzu – eine Aufgabe, die mehr ins Organisatorische und Politische hinein geht. Wie koordinieren Sie diese anspruchsvollen beruflichen Teilbereiche im Alltag?
Man soll sich nichts vormachen: Jede grössere Leitungsaufgabe erfordert einen sehr intensiven Einsatz. Da muss anderes zurückstehen und sich mit derjenigen Menge an Zeit begnügen, die dann eben noch bleibt. Ich konzertiere und forsche weiter, aber die Schulleitungsaufgabe nimmt heute ganz klar den zentralen Platz in meinem Berufsleben ein.

Sie setzen sich seit einem Dreivierteljahr ausserdem als Vorstandsmitglied beim Verband Musikschulen Schweiz ein. Was motiviert Sie dazu?
Mein Einsatz für die musikalische Bildung speist sich in der Schulleitungsaufgabe und in der Verbandstätigkeit aus einer inneren Leidenschaft für die Musik, die Menschen, das Musizieren und die Vermittlung – am liebsten in der Kombination aller vier Elemente. Die Schweizer Musikschulen leisten eine eminent wichtige Bildungs- und Kulturaufgabe in unserer Gesellschaft! Da geht es in der Musik um kulturelle Teilhabe, um Freude am Schönen, um die Entwicklung von Fähigkeiten und Lernstrategien, um Sozialisierung, um Persönlichkeitsbildung, um zwischenmenschliche Beziehung… Unsere Begeisterung und Leidenschaft für die musikalische Bildung müssen wir auch in die Politik tragen, immer und immer wieder! Und wir dürfen nicht müde werden, den hohen Stellenwert dieses Bildungsguts in Erinnerung zu rufen und uns für die Verbesserung der Rahmenbedingungen einzusetzen. In dieser Überzeugung wirke ich im VMS-Vorstand mit.

Ihr Ressort ist die Pädagogik. Was wollen Sie hier bewirken?
Eine zentrale Aufgabe des Ressorts Pädagogik, welches ich gemeinsam mit Felix Bamert betreue, ist die Unterstützung der politischen Bemühungen mit unserem Know-how. Die drei weiteren Aufgabenbereiche würde ich überschreiben mit: Seismograf/Sensibilisierung, Best Practice/Vernetzung, Standardbildung/Unterstützung. Durch die gesamtschweizerische und internationale Vernetzung ist der VMS prädestiniert dazu, Tendenzen in der Politik und in der Bildung «aufzuspüren» und für seine Mitglieder nutzbar zu machen. Dies kann über Publikationen oder Tagungen ebenso geleistet werden wie z.B. über einen Best Practice-Wettbewerb, welcher Musikschulen mit ihren innovativen Angeboten mit anderen, lernhungrigen Institutionen in Kontakt und Austausch bringt. Und lernhungrig sollten wir in unserer bewegten Zeit alle sein! Um die pädagogische Arbeit auch politisch zu unterstützen, machen wir uns immer wieder für die Formulierung von Standards stark – aktuell in einem erneuerten Leitfaden für die Förderung von musikalischen Begabungen. Am besten gelingt all dies in Zusammenarbeit mit den anderen Vorstandsressorts. Daher bin ich sehr froh über die offene Diskussions- und Arbeitskultur im VMS-Vorstand!

Halten Sie den Stellenwert der Musikalischen Bildung in der Schweiz heute, trotz neuem Verfassungsartikel, für akut gefährdet?
Ganz so weit würde ich nicht gehen. Aber viele einzelne Errungenschaften der letzten Jahre sind durchaus akut gefährdet. Durch die Sparbemühungen der Politik auf allen Ebenen wird vieles in Frage gestellt, und gesellschaftliche Prioritäten werden im Moment neu verhandelt. Unsere Aufgabe ist es da, zusammen mit den Kantonalverbänden und Musikschulen immer und immer wieder deutlich zu machen, wie eminent wichtig die musikalische Bildung für unsere Kinder und Jugendlichen ist – für die Schülerinnen und Schüler selber, aber auch für unsere Gesellschaft, ihren Zusammenhalt und ihre «Zukunftsfähigkeit»! Und natürlich bedeutet dies für den VMS viel hartnäckige, fachlich fundierte, politische Lobbyarbeit, deren Erfolg oft erst nach Jahren sichtbar wird. Ich freue mich, wenn ich im Hintergrund etwas zum Erfolg dieser «unspektakulären», aber essentiellen Aufgabe beitragen kann – und durch die Arbeit im Ressort Pädagogik den Musikschulen Inspirationen, Mut und Begeisterung für die Weiterentwicklung der bisherigen, guten Musikschularbeit und für das Beschreiten neuer Wege vermitteln kann.