Medizin und Musik
Das 14. Symposium der Gesellschaft für Musikmedizin und der Schweizerischen Interpretenstiftung beschäftigte sich mit dem Amateurmusiker.
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- Foto: Niklaus Rüegg
- Andreas Cincera kennt das Potential im Erwachsenenbereich
Gesundes Musizieren für Amateure
Niklaus Rüegg – An seinen Symposien, die in Zusammenarbeit mit der HKB, dem SMPV, der Kalaidos Musikhochschule und dem VMS durchgeführt werden, umkreist die Schweizerische Gesellschaft für Musik-Medizin (SMM) seit Jahren die Thematik «Musizieren und Gesundheit». Ende Oktober 2016 waren die Amateurmusiker – im Spannungsfeld «zwischen krankem Ehrgeiz und gesundem Vergnügen» – an der Reihe. Um es vorwegzunehmen: unter welchen Umständen Musizieren krank machen oder gut für die Gesundheit sein kann, konnte und musste nicht abschliessend beurteilt werden. Interessante Anregungen und Aufschlüsse erhielt man allemal.
Die Präsidentin der SMM, Martina Berchtold-Neumann, wartete zu Beginn mit einer beeindruckenden Zahl auf: 20 Prozent der Schweizer Bevölkerung besuchen Musikunterricht. Dass hier die SMM Fragen nach gesundheitlichen Implikationen stellt, ist also mehr als legitim.
Andreas Cincera, Studienleiter für Weiterbildung Musik an der HKB, schob in seinem Referat «Musik und lebenslanges Lernen: Der Erwachsene im Musikunterricht» weitere Zahlen nach: Ungefähr die Hälfte der Jugendlichen machen in irgendeiner Form Musik. Bei den Erwachsenen sind es ca. 20 Prozent, aber nur 8 Prozent von ihnen besuchen einen Musikunterricht. «Hier ist bestimmt noch Luft nach oben», stellte Cincera fest. In der Folge setzte sich der Referent mit den Unterschieden und Gemeinsamkeiten des Musikunterrichts für Erwachsene und für Kindern auseinander. Zum Musikunterricht für jüngere und ältere Erwachsene (Musikgeragogik) gibt es inzwischen eine recht ergiebige Forschung.
Den «Flow» kann man lernen
Gesundes und erst noch besseres Musizieren kann durch das Erlernen des Flow-Zustandes erreicht werden – das führte Andreas Burzik, dipl. Psychologe und Musiker aus. Das kopfgesteuerte Üben sei ein Problem, stellt Burzik fest: «Loslassen können nur wenig». Dass chronische Schmerzen bei Musikern weit häufiger vorkommen als beim Durchschnitt der Bevölkerung, sei auch eine Folge dieses deklarativen, durch das Präfrontalhirn gesteuerten Übens. Beim weit verbreiteten mechanistischen Üben fehle die emotionale Beteiligung und dadurch entstehe auf der Bühne die Gefahr, dass man in einen Kontrollmechanismus zurückfällt, der blockierend wirkt. In den «Flow» komme man durch das Automatisieren von Bewegung unter Umgehung der Kontrollinstanz des Gehirns. Musizieren sollte man lernen wie ein Kind das Fahrradfahren: über die Sinne. Das Kind entwickelt ein Körpergefühl, auf welches es sich das ganze Leben verlassen kann, wann immer es ein Fahrrad besteigt. Im nachmittäglichen Workshop konnten sich die Teilnehmenden von der Wirksamkeit dieser Thesen überzeugen lassen. Zusammen mit einem Musikstudenten machte Burzik den Praxistest.
Zwei weitere lehrreiche Workshops standen zur Wahl: «Die Atmung – Grundlage für Stimme, Haltung und Bewegung» von Nicole Martin Rieder und «Von Fuss bis Hand im Lot», dem Einbezug des ganzen Körpers beim Musizieren gewidmet, von Marjan Steenbeek.
Dr. med Salome Zwicky vom SingStimmZentrum Zürich führte in ihrem Referat krankhafte Befunde der Stimmbänder infolge falscher oder übermässiger Beanspruchung vor. Dr. med. Jürg Kesselring, Professor für Neurologie und Neurorehabilitation, beschäftigte sich unter dem Titel «Nur beim Dilettanten decken sich Mensch und Beruf» mit den Begriffen Amateur und Profi in der Musik.