Masterarbeit ortet Entwicklungsbedarf an Musikschulen 

Musikschulen sind auch Organisationen

Niklaus Rüegg, 28.11.2016

Entwicklung, Veränderungsprozesse und Anpassungen an neue Gegebenheiten sind notwendige Überlebensfaktoren einer jeden Organisation. Patrik Hitz weist nach, dass dies auch für die Musikschulen gilt.

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«Musikschulen sollten die Chance nutzen, als Teil der Bildung anerkannt zu werden.»

Masterarbeit ortet Entwicklungsbedarf an Musikschulen

Niklaus Rüegg – Ist eine Musikschule eine Organisation, die sich entwickeln muss, oder reicht es, Unterricht zu halten wie vor 50 Jahren? Ja, auch eine Musikschule muss sich verändern, sich kontinuierlich neuen pädagogischen, gesellschaftlichen und politischen Gegebenheiten anpassen. Diese Erkenntnis ist wohl nicht gerade revolutionär, doch sitzt sie noch nicht lange im kollektiven musikschulischen Bewusstsein.
Patrik Hitz ist in seiner Masterarbeit in Musikmanagement an der HKB Bern von Musikschulen als nicht gewinnorientierten Organisationen im erweiterten Umfeld der Volksschule ausgegangen. Ausserdem hat er versucht, den speziellen Gegebenheiten des beruflichen Umfelds der Lehrpersonen Rechnung zu tragen. Als Leiter einer mittelgrossen Musikschule im Kanton Zürich hat er anhand der Einführung des Qualitätsmanagementsystems quarte I Veränderungsprozesse nicht nur eingeleitet sondern auch weitere Entwicklungsperspektiven angestossen. Das eindeutige Fazit seiner Arbeit lautet: «Schulentwicklung an Musikschulen ist in der heutigen Zeit ein absolutes Muss».

Herr Hitz, welche Faktoren, Ansprüche und Erwartungshaltungen haben sich im Umfeld der Musikschulen in den letzten Jahren verändert?
Schülerinnen und Schüler haben heute ein viel grösseres Freizeitangebot als vor 20 Jahren. Zusätzlich wird zu Hause immer weniger musiziert und die Lehrpersonen der Primarschule können die Lehrbefähigung erlangen, ohne ein Instrument zu spielen. So ist es leider keine Seltenheit, dass ein achtjähriges Kind «Fuchs du hast die Gans gestohlen» nicht mehr kennt.
Auf der anderen Seite ist die Vorstellung vom wöchentlichen Einzelunterricht, immer zur selben Zeit, für viele Eltern und Schüler überholt. Dies stellt die Musikschulen vor grosse Herausforderungen.

Ist im freiwilligen, subventionierten Musikunterricht ein erhöhter Rechtfertigungsdruck zu spüren?
Definitiv. Angefangen bei der Frage, warum im Instrumentalunterricht, anders als im Sportbereich, diplomierte Lehrpersonen anstelle von Laien unterrichten, und warum der Unterricht nicht in Gruppen stattfindet.

Sie haben sich für die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems entschieden. Welche Überlegungen haben den Ausschlag für quarte I gegeben?
Für mich ausschlaggebend war die Möglichkeit, quarte relativ einfach an den eigenen Musikschulbetrieb anzupassen. Ich war auf der Suche nach einem Qualitätsmanagement-System, welches die Lehrpersonen so wenig wie möglich beim eigentlichen Kerngeschäft, dem Erteilen von Unterricht, tangiert. Dadurch war die Akzeptanz gegenüber quarte sehr gross.

Welche Veränderungen haben sich seit der Einführung von quarte 2014 ergeben und welche werden sich vermutlich in Zukunft ergeben?
Vieles, was früher nicht klar geregelt war, wurde schriftlich festgehalten; dadurch wurden Abläufe weniger personenabhängig und nachvollziehbarer für alle Beteiligten. Diese Transparenz wird geschätzt. Beispiele hierfür sind unter anderem Stellenbeschriebe, Jahreszielplanung und Jahreszielkontrolle.

Sehen Sie die Musikschulen in Zukunft im Bereich der schulbegleitenden freiwilligen Bildung oder eher als Freizeitangebot?
Musikschulen sollten die Chance nutzen, als Teil der Bildung anerkannt zu werden. Dazu müssen sie aber eine verstärkte Kooperation mit den Primarschulen eingehen.

Bitte überzeugen Sie uns in drei Sätzen, warum Schulentwicklung an Musikschulen in der heutigen Zeit ein absolutes Muss ist!
Wenn sich die Musikschulen den Herausforderungen eines veränderten Umfeldes stellen wollen, müssen sie alte Prozesse hinterfragen und wo nötig verändern. So besteht die Möglichkeit, durch eine Neuausrichtung die Zufriedenheit aller Beteiligten im Unterrichtsprozess zu steigern: der Schüler/innen, der Eltern und der Lehrpersonen. Anderenfalls drohen sie durch YouTube und die Angebote von privaten Anbietern immer mehr verdrängt zu werden.