Klassen mit integriertem Musikunterricht
Das Siegerprojekt des VMS-Best Practice-Wettbewerbs für innovative Musikschulprojekte kommt vom Conservatoire populaire de Genève. Es vereinigt Demokratisierung des Musikunterrichts mit einem verblüffenden Finanzierungsmodell.
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- Foto: Jean-Marie Glauser
- Musik lernen und Kulturen verstehen gehen in Genf Hand in Hand.
Erfolgreiche Zusammenarbeit Volksschule – Conservatoire populaire, Genève
Niklaus Rüegg – Im Juli 2015 wurden im Rahmen eines Projektwettbewerbs zum 40-Jahr-Jubiläum des Verbands Musikschulen Schweiz von einer Fachjury aus zwanzig eingegangenen Vorschlägen zehn ausgewählt und im vergangenen Januar am FMB 2016 vorgestellt. Das Genfer Projekt «Classe avec apprentissage musical intégré» (CAMI) überzeugte die Forumsteilnehmenden am meisten und bekam den Publikumspreis. Das Projekt des Conservatoire populaire de musique, danse et théâtre de Genève (CPMDT) war eine der fünf Eingaben, die von der Fachjury bereits vorher einen Preis zugesprochen erhielten.
Zusammenarbeit mit Volksschule
Der soziale Aspekt von CAMI ist ganz wichtig. Peter Minten, Leiter des Conservatoire, betont, dass der breite Zugang zur musikalischen Bildung nur über die Volkschule zu erreichen sei. Deshalb habe man das Projekt bewusst in einem Quartier mit hohen Migrantenanteil (Pâquis, beim Bahnhof) angesiedelt. Von den Kindern, die dort zur Schule gehen, besuchte zuvor kein einziges die Musikschule. Luc Fuchs, Klarinettenlehrer am CPMDT, hatte den Kontakt mit der Schule hergestellt und stiess auf offene Ohren. Das Prinzip, welches in ähnlicher Form auch in Frankreich praktiziert wird, ist bestechend: die Volksschule gibt vier Stunden für Musikunterricht an die Musikschule ab und bezahlt die Schulgelder, welche den gesparten Kosten entspricht. Die Eltern müssen also für den Musikunterricht nichts bezahlen. Die Musiklehrpersonen bei CAMI sind für die Gestaltung der vier Wochenstunden verantwortlich. 2014 startete das Experiment mit einer Klasse von 20 Schülern. Seit September 2015 sind es zwei Klassen mit insgesamt 44 Kindern der Schuljahre 5 und 6 und. Das Projekt soll sich bis in die 8. Klasse hinauf fortentwickeln.
Grosser Gestaltungsspielraum
Neben dem sozialen eröffnet der pädagogische Aspekt erst recht ungeahnte Möglichkeiten. Der Musikunterricht findet jeweils montags und freitags von 10 bis 12 für die erste Klasse und von 13h30 bis 15h30 für die zweite, in den Räumlichkeiten der Musikschule statt. Die Musikschule steht nur 50 Meter von der Volksschule entfernt und hält acht Räume zur Verfügung. Am Montag steht Instrumentalunterricht in Dreiergruppen auf sieben verschiedenen Instrumenten (Flöte, Klarinette, Violine, Cello, Gitarre, Harfe und Klavier) auf dem Stundenplan. Am Freitag sind Gehörbildung, Gesang, Tanz und Perkussion an der Reihe. Die Kinder sind die ganze Zeit über zusammen, lernen und musizieren gemeinsam. Selbstredend bietet Musikunterricht unter solch idealen Bedingungen weitreichende Möglichkeiten besonders auf kreativer, interdisziplinärer und kollaborativer Ebene zwischen den Schülern aber auch zwischen den Lehrpersonen des Conservatoire und der Volksschule. In Genf scheint man mit CAMI das musikalische Bildungs-Ei des Kolumbus gefunden zu haben. Mögen sich andere Institutionen und Kantone in der Schweiz davon inspirieren lassen. Herzliche Gratulation zum verdienten Publikumspreis!
Präsentationen best practice-projekte: www.verband-musikschulen.ch > fmb 2016
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- Foto: Jean-Marie Glauser