Der Walliser Weg
Das Walliser Departement für Erziehung, Kultur und Sport (Deks) macht Ernst mit der musikalischen Bildung: Der Harmonisierte Rahmenlehrplan (HRLP/PECH) für die drei subventionierten Lehranstalten ist in Kraft, die Umsetzung an den Schulen läuft und ein Gesetz für die Musikschulen ist in Arbeit.
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- Foto: Jörg Lingenberg
- Pascal Reichler, Melody Ehrensperger, Jörg Lingenberg: drei Lehrpersonen prägen die Unterrichtszukunft.
Alles neu: Kantonalverband, harmonisierter Rahmenlehrplan und Musikschulgesetz
Niklaus Rüegg – Der Verband Musikschulen Schweiz VMS hat in Grundlagenpapieren Visionen und Leitbilder der musikalischen Bildung formuliert: Leitbild und Berufsprofil (2006), Begabtenförderung (2010), Musikalische Bildung (2012). Eine Empfehlung zur Erarbeitung eines Lehrplans hat der Dachverband bisher aber nicht abgegeben. Als Beispiel eines exemplarischen Lehrplanwerks für Musikschulen ist auf der VMS-Webseite jenes der Konferenz der Österreichischen Musikschulwerke (KOMU.at) verlinkt. Der KOMU-Lehrplan diente im Wallis denn auch als Referenzwerk für den HRLP/PECH.
Neue Ausgangslage
Das Tempo ist bemerkenswert: In knapp fünf Jahren wurde in einem zweisprachigen Kanton mit drei höchst unterschiedlich ausgerichteten Musikschulen, die jede für sich und ohne Zusammenarbeit untereinander existierten, ein Kantonalverband gegründet (2013), ein umfangreicher harmonisierter Rahmenlehrplan geschaffen (Veröffentlichung 2014) und das neue Musikschulgesetz steht kurz vor der parlamentarischen Behandlung. Damit entstand in kurzer Zeit eine völlig neue Ausgangslage in der musikalischen Bildung des Kantons.
Im November 2009 beauftragte der damalige Walliser Bildungsminister eine Kommission, eine Bestandesaufnahme der nicht-professionellen musikalischen Ausbildung im Kanton zu erarbeiten. Das Ergebnis war der Bericht «Ausbildung für Amateurmusiker im Wallis» («Formation musicale non professionnelle en Valais»). In diesem Bericht wurden die drei Institute Allgemeine Musikschule Oberwallis (AMO), l’Ecole de Jazz et Musiques Actuelles (EJMA-VS) und des Conservatoire Cantonal de Sion (CC) als die einzigen subventionsberechtigten Schulen des Wallis bestimmt. Darauf aufbauend wurde von der Dienststelle für Kultur eine weitere Kommission gebildet. Sie hatte den Auftrag, ihren Schulen einen harmonisierenden Rahmen zu geben. Dieser Bericht, «Rahmen zur Harmonisierung der Walliser Musikschulen» (« Cadre d'harmonisation des écoles de musique_VS »), datiert vom Juni 2012, enthält detaillierte und weitreichende Richtlinien für den Musikunterricht an den drei Schulen. Zu den Postulaten gehören die Gewährleistung des Zugangs für alle, eine ganzheitliche Bildung, die Qualität des Unterrichts in stilistischer Breite, die Begleitung besonders Begabter bis hin zum Übertritt an die Musikhochschule. Ausserdem sind eine Definition von Unterrichtsstufen sowie Stufenübertrittsevaluationen, eine Reform der Einstufung und Entlöhnung der Lehrpersonen, ein neuer Subventionsschlüssel auf kantonaler Basis und anderes mehr zu finden. Bei all dem soll erklärtermassen die jeweilige Eigenart der Schulen berücksichtigt und erhalten bleiben.
Klare Vorgaben
Die Benennung eines Redaktionsteams zur Erarbeitung eines «Harmonisierten Rahmenlehrplans HRLP» («Plan d’études cadre harmonisé PECH») war die logische Folge. Die AMO wählte Pascal Reichler, von der EJMA-VS gesellte sich Melody Ehrensperger dazu und vom Conservatoire Cantonal kam Jörg Lingenberg. Diese Arbeit wurde vor Jahresfrist abgeschlossen.
Die Struktur der Ausbildung an den drei Schulen gliedert sich in folgende Stufen:
• Musikalische Früherziehung
• Zyklus I (Grundstufe)
• Zyklus II (Mittelstufe)
• Zyklus III (Oberstufe, wahlweise mit oder ohne Schusszertifikat)
• Post-Zertifikat (an der Schule)
• PräProfessionell (in Zusammenarbeit mit Hochschule)
Inhaltlich wurde der Unterricht von der Grundstufe an in künstlerische, technische und theoretische Aspekte unterteilt und beschrieben. Man ist sich im Wallis einig, dass bei Stufenübertritten Stufenevaluationen zu absolvieren seien; deren Ausgestaltung ist jedoch noch nicht allgemeingültig festgelegt worden. Ebenso verhält es sich mit der musiktheoretischen Ausbildung.
Hohe Verbindlichkeit
«Die Redaktionsgruppe hatte den Auftrag, theoretische Rahmenlehrpläne sowohl für die Ausbildung als auch für die Instrumentalausbildung zu erstellen, die sich – trotz aller Unterschiede in den praktizierten Musikstilen – in allen drei Schulen anwenden lassen können», so Jörg Lingenberg. Der «Theoretische Lehrplan» wurde in drei Spalten unterteilt, Inhalte, Ziele und Repertoire. Angesichts der unterschiedlichen Schulangebote wurde das Repertoire ganz der jeweiligen Schule überlassen.
Der weitaus grösste Teil des 267 Seiten umfassenden Lehrplanwerks entfällt auf die 23 beschriebenen gängigsten Instrumente sowie den Gesang. Für jedes Instrument wurden, entsprechend dem oben erwähnten Schema, die beiden Spalten «Inhalte» und «Ziele» entsprechend der Stufen und der inhaltlichen Aspekte detailliert beschrieben.
Der Implementierungs- und Umsetzungsprozess an den Schulen ist seit einem Jahr im Gange. Diese Einzellehrpläne seien zwar sehr ausführlich und nach der Einführungszeit auch als verbindlich anzusehen, so Pascal Reichler, aber sie seien nicht als Kontrollinstrumente sondern als eine Art Checkliste zur Erleichterung der Unterrichtsarbeit gedacht. Die Kommunikation mit den Lehrpersonen funktioniert sehr gut. Manche haben bereits Repertoirelisten und konkrete Übungen beigesteuert.
Nach einer Einführungszeit von zwei Jahren (also im kommenden Jahr) soll der Lehrplan kritisch geprüft werden, um eventuelle Ungereimtheiten zu bereinigen. Ende dieses Schuljahres wird es eine gemeinsame Standortbestimmung geben.
Das Gesetz folgt auf dem Fusse
Im Herbst 2015 wird der erste Entwurf des Walliser Musikschulgesetzes in die parlamentarische Beratung gehen. 21 Personen, darunter Politiker, Eltern und Schulvertreter – das dreiköpfige Redaktionsteam des Lehrplans ist auch mit dabei – sind für dessen Ausarbeitung verantwortlich. Wichtige Bestandteile des Gesetzes sind neben dem Rahmenlehrplan zum Beispiel eine Dreidrittel-Finanzierung durch Kanton, Gemeinden und Eltern sowie eine Integration des Instrumentalunterrichts in die Stundentafel der Volksschule.