«Sag mir, wo die Blumen sind»
Der Arbeitsbeginn beim VMS war kühl und hektisch, doch nach ein paar Tagen war das Eis gebrochen. Ruth Hochulis dreizehn spannende VMS-Jahre im Rückblick.
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- Foto: Niklaus Rüegg
- Selbständiges und sinnerfülltes Arbeiten war Ruth Hochuli immer sehr wichtig.
Ruth Hochuli begann vor dreizehn Jahren mit dem Aufbau der VMS-Geschäftsstelle.
Niklaus Rüegg – Als die neue Geschäftsführerin am 1. Oktober 2000 zum ersten Mal das Büro des VMS betrat – damals ein grosses, hohes Loft in einer ehemaligen Fabrik in Liestal – war sie etwas verunsichert. Der Empfang war eher reserviert und es gab keine Blumen. Verunsicherung herrschte offenbar auf beiden Seiten. Ruth Hochuli wurde angestellt mit dem Auftrag eine Geschäftsstelle mit einer umfassenden Administration aufzubauen, eine Situation, die offenbar auch die bisherigen Mitarbeitenden überforderte. Ein paar Tage später war das Eis gebrochen: Es stand ein grosser VMS-Kongress in Interlaken bevor. Bei ihrer Ankunft am Vorabend stellte sie fest, dass rein gar nichts organisiert war. Sie krempelte die Ärmel hoch, übernahm das Kommando und legte zusammen mit zwei Vorstandsmitgliedern eine Freinacht ein. Der Anlass war gerettet und Ruth Hochuli war vier Tage nach ihrem Arbeitsbeginn beim VMS angekommen.
Selbständiges Arbeiten
Ruth Hochuli, gebürtig aus dem aargauischen Reitnau, hatte in Brugg den KV-Abschluss gemacht und anschliessend anderthalb Jahren bei einer Versicherung in Genf gearbeitet. 1970 stieg die Zwanzigjährige bei einem vor der Gründung stehenden Pharma-Verpackungsunternehmen bei Basel ein. Sie hatte zwar kaum Berufserfahrung, doch ergriff sie die Chance, beim Aufbau einer Firma von Beginn an mitarbeiten zu können. Um sich für ihre verantwortungsvolle Arbeit fit zu machen, besuchte sie die zweijährige, berufsbegleitende Führungsschule des KV. Mit 30 erhielt sie die Prokura und arbeitete sich in der Folge bis zur stellvertretenden Geschäftsführerin hoch.
Im Jahr 2000 wurde die Firma verkauft und umstrukturiert. Ruth Hochulis Instinkt meldete sich und riet ihr, sich etwas Neues zu suchen. Sie entdeckte ein kleines Inserat des VMS in der Basler Zeitung, bewarb sich und wurde angestellt.
Sie wollte nach ihrer 30-jährigen beruflichen Karriere nicht mehr in einer grossen Firma arbeiten. Selbständiges und sinnerfülltes Arbeiten war ihr immer sehr wichtig. Das war bei der Entscheidung für den VMS denn auch ausschlaggebend. Als kulturell und musikalisch interessierter Mensch erschien ihr die musikalische Bildung von Kindern und Jugendlichen als sinnhaft. Gleichzeitig war die eigenverantwortliche Arbeit, die ihr der VMS bieten konnte, ganz nach ihrem Geschmack.
Verbandserneuerung
Die Verbandsarbeit wurde bis ins Jahr 2000 vom Präsidenten des VMS (damals Hans Brupbacher) und dem Vorstand geleistet. Auskünfte vonseiten der Schulen wurden denn auch direkt an den Vorstand gestellt. Jetzt sollte eine Geschäftsstelle mit eigenen Kompetenzen entstehen. In den ersten Zweitausender Jahren waren Webseiten für die Musikschulen ein Thema. Hochuli hatte hier verschiedene Angebote ausgearbeitet. Das Interesse der Schulen hielt sich zunächst allerdings in Grenzen. Schon vor ihrem Amtsantritt war die Verbandsstruktur ein Thema. Eine relativ knappe Mehrheit der Schulen (die Schulen waren damals Direktmitglieder beim VMS) sprach sich schliesslich für die Dachverbandsstruktur aus. Zusammen mit dem neuen Präsidenten ab 2006, Hector Herzig, begleitete die Geschäftsführerin den mehrere Jahre dauernden Prozess organisatorisch von der Direktmitgliedschaft über die Zwischenphase der Kantonalen Delegierten bis hin zum Dachverband mit den Kantonalverbänden als Mitgliedern.
In ihrem eigenen Büro konnte sie die handgestrickte Excel-Buchhaltung durch ein professionelles Buchhaltungsprogramm ersetzen. Handgeschriebene Rechnungen und manuelles Einbuchen gehören seither der Vergangenheit an. Finanzbuchhaltung, Lohnbuchhaltung, Adressbuchhaltung, Webseite, Newsletter, Events – alles ist jetzt elektronisch vernetzt und optimiert.
Positionierung
Nach der erfolgreichen Verbandsumstrukturierung stellt sich für Hochuli die Frage nach dem Verbandsprofil: «Der VMS muss an Morgen und Übermorgen denken, Visionen, gute Angebote entwickeln und zukunftsweisende Grundsatzpapiere verfassen. Und er darf nie aufhören zu erklären, was er tut». Die Dachverbandstruktur mache auch etwas einsam. Man müsse aufpassen, dass man mit der Basis in Kontakt bleibt. Der Verband müsse ständig daran arbeiten unentbehrliche Angebote zu machen.
Nachdenklich wird Ruth Hochuli, wenn sie von Schwierigkeiten und Problemen erzählt: das Europäische Jugendmusikfestival 2002 sei ein Fiasko gewesen. Es habe sie viel Nerven und den VMS viel Geld gekostet. Die Zusammenarbeit mit den Verbänden klappe immer besser, doch wünscht sie sich, dass die Scharnierfunktion zwischen Schulen und VMS via Kantonalverbände in Zukunft besser funktionieren möge. Tatsächlich existierende Rivalitäten zwischen den Verbänden hält sie für unverständlich und kontraproduktiv. Das Personalwesen der Musikschulen wird ihrer Ansicht nach sträflich vernachlässigt. Hier könnten und sollten die Schulleiter viel von der Privatwirtschaft lernen.
Insgesamt hält sie die Situation der Musikalischen Bildung in der Schweiz, grade im Vergleich mit dem Ausland, für verhältnismässig gut. Es gelte aber für gute Arbeitsbedingungen zu sorgen. Lehrpersonen mit qualifizierten Hochschulabschlüssen müssen von ihrer Arbeit leben können.
Eigentlich hat man das Gefühl, Ruth Hochuli war schon immer da, obwohl es «nur» dreizehn Jahre waren und bereits steht der "Wohlverdiente Ruhestand" unmittelbar bevor: «Nach der Pensionierung tut man nichts, was man nicht vorher schon gemacht hat, aber man kann es seriöser und vertiefter tun». Neben ihrer Tätigkeit im Vorstand der Opferhilfe beider Basel kommt jetzt ihre Beschäftigung mit Kultur, Theater, Sprachen und Reisen verstärkt zum Zug.