Dem Sport kann die Musik in der Begabungsförderung Einiges abgucken. 

Mit Begabung und Willen zum Erfolg

Niklaus Rüegg, 11.11.2013

Die musikalische Begabtenförderung steht seit einem Jahr in der Bundesverfassung. Gefragt sind Ideen zur Ausgestaltung eines nationalen Konzepts. Ein Blick auf das gut ausgebaute Förderungssystem im Sport dürfte sich lohnen.

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Mit bedingungsloser Leidenschaft Ziele erreichen.

Dem Sport kann die Musik in der Begabungsförderung Einiges abgucken.

Niklaus Rüegg – Der Präsident von Swiss Olympic, Jörg Schild, ehemaliger baselstädtischer Regierungsrat, wird am Forum FMB im Januar 2014 in Baden zum Thema «Begabungsförderung im Sport» sprechen.
Swiss Olympic ist die Dachorganisation der Schweizer Sportverbände und gleichzeitig das Nationale Olympische Komitee unseres Landes. Der Verein vertritt olympische, aber auch nicht-olympische Sportarten. Die 84 Mitgliedsverbände von Swiss Olympic zählen 22'000 Vereine mit 1,6 Millionen Aktivmitgliedern. Swiss Olympic ist Mitglied in olympischen und ande-ren internationalen Organisa¬tionen.
Die Organisation mit Sitz in Ittigen bei Bern unterstützt und stärkt die Mitgliedsverbände und damit den Schweizer Sport in all seinen Facetten, verbreitet und verankert die olympischen Werte (Höchstleistung, Respekt, Freundschaft) in der Gesellschaft, insbesondere in den Schulen, schafft die bestmöglichen Voraussetzungen, um sportlichen Erfolg auf internationaler Ebene zu realisieren, vertritt die Interessen des privatrechtlichen Bereichs im Schweizer Sport und setzt sich für dessen gesellschaftliche Anerkennung ein.

Herr Schild, welche Aufgaben nimmt Swiss Olympic im Rahmen der Nachwuchsförderung im Sport wahr?
Eine hochstehende Nachwuchsförderung bildet die Grundlage für künftige internationale Erfolge. Auf dieser Basis fordert Swiss Olympic von den nationalen Sportverbänden ein leistungsorientiertes Nachwuchskonzept. Liegt ein solches Konzept vor, wird die entsprechende Sportart mit diversen Dienstleistungen von Swiss Olympic, dem Bund und der Stiftung Schweizer Sporthilfe unterstützt. Unsere Aufgabe ist es, den Verbänden bei der Erarbeitung, Umsetzung und Weiterentwicklung ihrer Förderkonzepte mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.

Welches sind die Werte, die hinter der Sportförderung stehen?
Die olympischen Werte sind geprägt durch die Begriffe Höchstleistung, Freundschaft und Respekt. Swiss Olympic sorgt aktiv für die Verankerung der olympischen Werte sowie die Verbreitung der olympischen Bewegung in der Schweiz und setzt sich für eine hohe Qualität des Sports ein. Unsere Ethik-Charta, die von allen Partnern des Schweizer Sports getragen wird, ist ein wichtiger Schritt zu einem nachhaltigen Sport. Es ist unsere Aufgabe, diese Werte zu leben und zu verbreiten.

Ihre Organisation hat ein Netz von «Partnerschulen» aufgezogen – inzwischen sind es schweizweit über 50 – die sich in der Nachwuchsförderung engagieren. Welche Bedingungen müssen diese Schulen erfüllen, damit Sie in den Genuss Ihrer Dienstleistungen kommen?
Mit unserem Label werden Bildungsinstitutionen ausgezeichnet, die mit einem flexiblen Ausbildungsangebot den Athleten ermöglichen, ein Training von hohem Umfang zu absolvieren und gleichzeitig die ebenso hohen schulischen Leistungsanforderungen zu erfüllen. Durch eine spezielle Koordinationsfunktion stellt jede Schule die Abstimmung zwischen Schule und Leistungssport in optimaler Form sicher. Weiter gehört auch das Vermitteln von erweiterten Unterrichtsinhalten wie Dopingprävention, «cool and clean» und weiteren leistungssportrelevanten Themen zum Aufgabenbereich einer von Swiss Olympic ausgezeichneten Schule.

Wie wird sichergestellt, dass diese Schulen Ihren Kriterien für eine leistungsorientierte Nachwuchsförderung Genüge tun?
Das Label wird für vier Jahre vergeben, alle vier Jahre gibt es eine Überprüfung und Re-Zertifizierung. Bei dieser Gelegenheit besuchen wir jede Schule und führen Gespräche mit verschiedenen Personen an einer Schule. Die ausgezeichneten Schulen werden jährlich zu Austausch-Veranstaltungen eingeladen, an welchen sie sich untereinander vernetzen und ihre Erfahrungen austauschen können. Weiter erhalten sie dabei auch Informationen von unserer Seite. Wir stehen in direktem Austausch mit den Schulen und sie müssen uns jährlich aufzeigen, welche Talente an ihren Schulen gefördert werden. In unregelmässigen Abständen gehen wir zwischen den Zertifizierungen auf Schulbesuch. Schliesslich erhalten wir auch Feedback von den involvierten Sport-Partnern, Kantonen und Eltern oder Athleten.

Kollidieren Sie als nationaler Dachverband mit Ihren gesamtschweizerischen Ansprüchen nicht manchmal mit der kantonalen Bildungshoheit?
Gerade auf Ausbildungsebene ist dies sicher eine Herausforderung. Die Richtlinien zur Zertifizierung gelten aber beispielsweise für alle Kantone und Schulen gleichermassen. Letztlich benötigen die Talente flexible Ausbildungsstrukturen. Da darf es nicht darauf ankommen, in welchem Kanton sie zu Hause sind. Wir haben aber nach wie vor insbesondere beim Thema Schulgeld Handlungsbedarf: wenn ein Talent den Schulkanton infolge seines Trainingsorts wechseln muss, stellt dies noch immer eine grosse administrative Hürde dar. Die Kantone sind oft nicht bereit, solche Schulgelder zu übernehmen. Die angespannte finanzielle Situation vieler Kantone verschärft diese Problematik zusätzlich. Wir begrüssen die Initiative einiger Kantone, die ein Leistungssportkonzept erstellen, welches diesbezüglich klare Rahmenbedingungen schafft.

Swiss Olympic nimmt eine vermittelnde Funktion zwischen seinen Mitgliedsverbänden und dem Bundesamt für Sport ein. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit dem BASPO?
Sehr gut. Aber ich sehe uns nicht «nur» als Vermittler. Ende 2006 haben Swiss Olympic und das VBS/BASPO die «Kooperationsvereinbarung zur Sportförderung Schweiz» unterzeichnet. Diese Vereinbarung regelt die klare Aufgabenteilung zwischen der Führungsorganisation des privat-rechtlichen und des öffentlich-rechtlichen Sports: Swiss Olympic übernimmt in der Schweiz im Leistungssport den Lead vom Nachwuchs bis hin zur Elite. Das BASPO hat eine Supportfunktion inne. Im Breitensport ist es umgekehrt. Die Zusammenarbeit läuft Hand in Hand. Auf beiden Seiten ist erkannt, wie stark man ist, wenn man Ziele gemeinsam verfolgt.

Streben Sie ein gut funktionierendes, flächendeckendes System der Talenterkennung über die Früh- bis hin zur gezielten Spitzensport-Förderung an?
Es gibt verschiedene Formen der Talenterkennung und –förderung. Jeder Verband hat für seine Disziplinen ein eigenes Talenterkennungs- und Fördersystem, das von der jüngsten Nachwuchskategorie bis in die Elite nahtlos funktionieren muss. Die Kunstturnerinnen beispielsweise gehören meist zu den Jüngsten national geförderten Talenten. Im Bobsport kann man bis ins Alter von 26 Jahren als Junior starten. Die Talentförderung ist im Grundsatz Sache jedes einzelnen Verbands. Unsere Aufgabe ist es, die Verbände dabei zu unterstützen und – wo das Sinn macht – zwischen ihnen zu koordinieren.

Im Bereich des Nachwuchsleistungs- und Spitzensports ist Swiss Olympic federführend und hat das «Spitzensport-Konzept Schweiz» ausgearbeitet. Was steht dort drin und wie weit sind wir noch von den angestrebten Zielen entfernt.
Im Konzept sind unsere Aufgaben definiert – zum Beispiel gegenüber den Verbänden, um vorallem auch Doppelspurigkeiten innerhalb des gesamten Schweizer Leistungssportsystems zu eliminieren. Ausserdem sind gewisse strategische Zielsetzungen definiert. Für Sotschi gilt zum Beispiel noch das strategische Ziel, dass wir nach Anzahl Medaillen zu den besten 8 Nationen der Welt gehören sollten. Weil dieses Ziel in der Vergangenheit jedoch nicht immer erreicht wurde und Swiss Olympic unterdessen seine Strategie überarbeitet hat, werden wir Teile des Konzepts überdenken, was jedoch nicht bedeutet, dass wir weniger erfolgreich sein wollen.

Sehen Sie Gemeinsamkeiten mit der Begabtenförderung in der Musik? Gibt es vielleicht sogar Anknüpfungspunkte, Überschneidungen, Synergien?
Begabung beinhaltet nicht unbedingt auch die bedingungslose Leidenschaft, einmal gesteckte hohe Ziele auch mit letzter Konsequenz erreichen zu wollen. Nebst Begabung benötigen Sportler und Musiker letztlich auch einen starken Willen. Dazu müssen ihnen aber auch optimale Rahmenbedingungen zur Verfügung stehen. Interessant wäre für mich sodann eine Diskussion darüber, wie Musiker im Vergleich zum Sportler im mentalen Bereich arbeiten und unterstützt werden. Eines ist aber abschliessend gewiss: So wie sich viele Sportler mit Musik erholen, suchen Musiker Entspannung und Abwechslung in sportlicher Betätigung.