Vielfältige Lehr- und Lernformen haben Zukunft. 

Musikalische Bildung im 21. Jahrhundert

Katrin Spelinova, 05.11.2013

Die Fachtagung des Verbandes der Musikschulen des Kantons Schwyz brachte eine Art Standortbestimmung: Wie sieht die musikalische Bildung in der Schweiz heute aus? Welche Modelle gibt es für die Praxis? Wie können Probleme in Angriff genommen werden?

Vielfältige Lehr- und Lernformen haben Zukunft.

Katrin Spelinova – Die Aula des Schulhauses Ebnet in Küssnacht/SZ war am Morgen des 26. Oktobers sehr gut besetzt. Der Besuch der Tagung Musikalische Bildung im 21. Jahrhundert, das darf man gleich vorweg nehmen, hat sich denn auch für die Anwesenden gelohnt. Musikschulleitungen, Musiklehrpersonen und wenige Lehrpersonen der Volksschule konnten tatsächlich einen «Chratten» voller Ideen mit nach Hause nehmen, wie sich das der VMSZ-Präsident und Tagungsmoderator Georg Hess erhofft hatte. Die Tagungsunterlagen werden aufgeschaltet auf die Website www.vmsz.ch

Wo stehen wir – wohin gehen wir?
Beat Hofstetter, Saxofonist und Leiter des Masterstudiengangs Musikpädagogik an der Fachhochschule Nordwestschweiz/Musik-Akademie Basel analysierte in seinem Vortrag die musikalische Bildung in der Schweiz systematisch anhand von fünf w-Fragen:
• Wer ist an der musikalischen Bildung in der Schweiz beteiligt?
• Was wird an Schulen und Musikschulen zum Thema Musik gelehrt?
• Wie wird dieser Stoff vermittelt?
• Wo wird Musik unterrichtet?
• Was müssen wir für eine gute Zukunft der musikalischen Bildung tun?
Der Referent betonte, dass musikpädagogische Strömungen immer auch an einen Ort gebunden sind, gerade in der föderalistischen Schweiz. Was für Basel gut sein kann, ist für Schwyz vielleicht nicht das Richtige. Er plädierte deshalb für ein vorsichtiges Ausprobieren neuer Modelle, ohne bewährte lokale Strukturen zu gefährden.
Die musikalischen Ziele des Lehrplans 21 schätzt Beat Hofstetter als sehr hochgesteckt ein. Die Frage, ob sie erreicht werden können, sollte erst nach einer gewissen Zeit beantwortet werden. Inzwischen sei die Stossrichtung des LP 21 zu unterstützen, auch wenn darin die Musikschulen als professionelle Partner gar nicht erwähnt werden. Wichtig sei, in der Diskussion zwischen den pädagogischen Hochschulen und den Musikhochschulen weiterzukommen. Erstere wollen sich von Letzteren in der Frage nach Musikfachlehrern in der Primarschule nicht dreinreden lassen. Letztere befürchten einen massiven Abbau der Qualität des Musikunterrichtes an den Volksschulen. Denn angehende Lehrerinnen und Lehrer können das Fach Musik abwählen und die Pädagogischen Hochschulen haben das Ausbildungsangebot im Fach Musik stark eingeschränkt.
Hofstetter ging ein auf weitere Themen wie Einzelunterricht, der als das «Juwel» der Musikschulen keinesfalls aufgegeben werden darf zugunsten des Gruppenunterrichts. Er sprach von Teamteaching, Unterricht für Erwachsene sowie Seniorinnen und Senioren, kollektiven Musizierformen, Klassenmusizieren, Musikvermittlung, neuen Medien im Musikunterricht, Improvisieren und Komponieren, Übe-Coaching und anderen Formen gemeinschaftlichen Übens, Begabtenförderung und Breitenförderung. Seine Ausführungen schloss er zusammenfassend mit der Feststellung, dass es in Zukunft für das Fach Musik an der Volksschule weniger gut ausgebildete Lehrpersonen geben wird. Die Musikschulen müssten ihr Angebot besser bekannt machen und im Gespräch mit den entsprechenden Gremien Kooperationsmodelle für Musikschulen und Volksschule entwickeln.

Beispiele aus der Praxis
Der Oboist Olivier Scurio leitet die Regionale Musikschule Dübendorf. Seit 2010 implementiert er den von Gerhard Wolters entwickelten Multidimensionalen Musikunterricht in seine Schule (siehe auch: Niklaus Rüegg, «Der Nächste, bitte!» - bitte nicht in der Musikschule, in: Schweizer Musikzeitung 10/2012, S. 19f.). Dabei wird – vereinfachend zusammengefasst – die Unterrichtszeit von zwei oder mehreren Musikschülern zu einem Block zusammengenommen, während dem die betreffenden Schüler die ganze Zeit anwesend sind und zwei oder mehrere Unterrichtszimmer zur Verfügung stehen. Dies eröffnet vielfältige Möglichkeiten für Simultanunterricht. Mit grossem Enthusiasmus berichtete Scurio von den positiven Effekten, die diese Art des Unterrichtens hervorbringen kann. Voraussetzung dafür ist, dass die Lehrperson freiwillig nach diesem Modell unterrichten will und dabei das ins Zentrum stellt, was die Musikschüler oder die Musikschülerinnen lernen wollen.
Marcel Vonesch, Gitarrist und Dozent für Musik und Computer an der Hochschule Luzern (www.vones.ch) schliesslich gab einen Überblick, wie man den Computer als Werkzeug sowohl für die eigene Arbeit als auch im Musikunterricht einsetzen kann. Seiner Meinung nach bietet der Computer samt vielen damit verbundenen Diensten wie Facebook oder Streaming eine Chance, die Musikschülerinnen und –schüler dort abzuholen wo sie sind,

Offene Fragen
In der Schlussrunde wurden einige Brennpunkte angesprochen:
• Wie bringt man Kinder mit Migrationshintergrund in die Musikschulen?
• Bürokratische Hindernisse in der Zusammenarbeit zwischen Volksschule und Musikschule (keine Lehrberechtigung für Musikhochschulabsolventen an den Volksschulen).
• Einschränkungen bei neuen Lehrformen in kleinen Musikschulen: Dinge wie Teamteaching oder freie Lehrerwahl sind kaum zu realisieren.
• Interkantonale Zusammenarbeit von Musikschulen kann funktionieren.
• «Kampf ums Kind»: Die Musikschulen bieten immer früheren Einstieg in den Instrumentalunterricht.