Zwei modellhafte Förderungsprogramme im Vergleich 

Talentprogramme als Teil der Ausbildung

Niklaus Rüegg, 07.10.2013

Mit Beginn des Schuljahres 2013 startete die Begabtenförderung Musik Thurgau ins sechste Jahr. Neu dabei ist jetzt auch die Tanzförderung. Die Integration der Talente in den Schulalltag wurde im Thurgau vorbildlich gelöst.

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Andreas Schweizer, Beat Raaflaub und Kristin Thielemann diskutieren die Begabtenförderung.

Zwei modellhafte Förderungsprogramme im Vergleich

Niklaus Rüegg – An der fünften Jahrestagung Begabtenförderung Musik Thurgau erlebte man eine interessante Gegenüberstellung der beiden ebenso spannenden wie unterschiedlichen Begabtenförderungsprogramme der Kantone Thurgau und Baselland. Als Gast referierte Beat Raaflaub über die erfolgreiche Förderungsarbeit mit den Musiktalenten im Baselbiet. Der Kanton Baselland verfügt seit 2003 über den entscheidenden Vorteil der Einbettung seiner fünfzehn Musikschulen im kantonalen Bildungsgesetz.
Der Kanton Thurgau hingegen ist der bisher einzige Kanton, der sich auf eine gesetzliche Grundlage für die Begabtenförderung stützen kann. Im Regierungsratsbeschluss vom 28. März 2006 (Revision 2011) wurde ein Rahmenkonzept zur Begabtenförderung für Sport und Musik genehmigt. Darin ist die Partnerschaft der öffentlichen Schule mit ausserschulischen Trägern, den Sportverbänden und dem Musikschulverband festgeschrieben.
Das Ostschweizer Programm wendet sich an Talente der Sek I-Stufe im Alter zwischen 13 und 16 Jahren. Mit Beginn des Schuljahres im Sommer 2013 nahmen 44 Musik- und 5 Tanztalente das anspruchsvolle Programm in Angriff. Schule und Musik verbinden –
Musikalisches Talent entfalten – Wege für die Zukunft planen, so heisst die Vision. In der Tat ist die Integration in die allgemeine schulische Ausbildung im Thurgau vorbildlich gelöst. Hier werden Synergien genutzt und Freistellungsangebote für Talente unbürokratisch möglich gemacht. Nach einem bestandenen Eignungstest werden die Teilnehmenden einer der drei Schulen an den Standorten Arbon, Kreuzlingen und Weinfelden zugeteilt, an denen sie in den Genuss eines speziellen Stundenplans mit sechs Wochenstunden Musikunterricht kommen. Die Tänzerinnen und Tänzer gehen in Weinfelden zur Schule und trainieren an der dortigen Tanzschule. Der Instrumental- respektive Vokal-Hauptfachunterricht findet zwei Mal wöchentlich beim angestammten Lehrer statt, während alle andern Musikstunden (Rhythmus und Bewegung, Stimm- und Gehörbildung, Musiktheorie und Stilkunde) und Nebenfächer (Zweitinstrument und Kammermusik) an der öffentlichen Schule erteilt werden.
Als begleitende Förderinstrumente gibt es im Thurgau einen kantonalen Wettbewerb und die gut ausgebauten Stufentests.

Talentförderung und Basisdemokratie
In seinem Referat betonte Beat Raaflaub, Präsident der Talentförderung Baselland, die unterschiedlichen Voraussetzungen der beiden Programme. Obwohl Basellands Musikschulen im Bildungsgesetz sind, gibt es keine kantonal unterstützte, geschweige denn finanzierte Begabtenförderung. Das Geld dafür stammt aus den Musikschulen, einem Pro-Kopf-Beitrag des Verbandes Musikschulen Baselland sowie einem auf drei Jahre beschränkten Beitrag des Lotteriefonds. Raaflaub war der eigentliche Motor in der Entwicklung des Programms, das 2007 mit 26 Schülerinnen und Schülern aus vier Schulen seinen Anfang nahm. Raaflaub wird nicht müde zu betonen, dass sich der Anfang absolut «basisdemokratisch» gestaltete. Die Idee für eine kantonale Talentförderung entstand in den Schulleitungskonferenzen und das Funktionieren das Programms beruht bis heute auf dem Konsens der Schulleitungen, der Schulräte und dem Einsatz der Lehrpersonen. Heute sind alle fünfzehn Schulen mit aktuell 76 Geförderten beteiligt. Aufgenommen werden nach einer erfolgreich abgelegten Ausnahmeprüfung Bewerbende im Alter zwischen 12 und 20 Jahren. 90 Minuten pro Woche stehen für das Hauptfach und das Zweitinstrument zur Verfügung. Nebenfächer sind Gehörbildung und Ensemble. Die dezentrale Struktur des Programms bedingt, dass die Vergleichbarkeit dessen was an den verschiedenen Schulen als «begabt» verstanden wird, sich erst mit der Zeit einstellt. Die Chance dazu bietet sich an den schulübergreifenden Podiumskonzerten und thematischen Klassenstunden mindestens zwei Mal im Jahr. Dazu kommen noch schulinterne Veranstaltungen. Das ergibt in der Summe verschiedene Möglichkeiten, Erfahrungen zu sammeln, sich mit andern zu messen und Bekanntschaften zu knüpfen. Einmal im Jahr findet ein Talenttreff mit sachbezogenen Workshops statt. Seit Anfang 2013 gibt es neu eine Leistungskontrolle, durchgeführt von einem Gremium, das im Wesentlichen identisch ist mit der Jury der Aufnahmeprüfungen. Die Aufnahmeprüfung ist gleichzeitig das Vorspiel für den kantonalen Musikwettbewerb «Impuls». Mit ein bisschen Glück können die Prüflinge gerade noch einen Preis mit nach Hause nehmen. Das Hauptaugenmerk für die Zukunft liegt auf einer verbesserten Zusammenarbeit mit den Gymnasien und mit der Musikhochschule Basel. Hier steht der Wunsch Pate, dereinst ein gemeinsames Begabtenförderungsprogramm zu betreiben.

Die nächste Jahrestagung Begabtenförderung Musik und Tanz Thurgau findet am 13. September 2014 statt.

Am 24. und 25. Januar 2014 findet in Baden das Forum Musikalische Bildung FMB
zum Thema Begabtenförderung statt. Dort werden die beiden Programm im Rahmen einer Poster-Präsentation detailliert vorgestellt.