Dem Theater Orchester Biel Solothurn sollen ab 2018 erhebliche Subventionsanteile gestrichen werden. Das hat die Mehrheit des Bieler Stadtrates am 24. September beschlossen.  

Schulterschluss mit Folgen

Johannes Knapp, 21.10.2015

Dem Theater Orchester Biel Solothurn sollen ab 2018 erhebliche Subventionsanteile gestrichen werden. Das hat die Mehrheit des Bieler Stadtrates am 24. September beschlossen.

Es war wieder eine lange Debatte. Sie endete wieder gegen Mitternacht. Die überparteiliche Motion von rechts bis zur Mitte, den jährlichen Beitrag an das Theater Orchester Biel Solothurn (TOBS) spätestens ab 2018 um 360'000 Franken zu kürzen, wurde angenommen, obwohl der Gemeinderat deren Ablehnung beantragt hatte. Wem das TOBS etwas bedeutet, der hat auf dem Nachhauseweg wieder einmal den Zwiespalt zwischen schöner Kunst und harter Realität empfinden dürfen.

Die Realität beziehungsweise das, für was manche sie halten, hat ihre einschüchternde Wirkung bei der Mitte-Rechts-Mehrheit des Bieler Parlaments jedenfalls nicht verfehlt. Klassik sei elitär und nur für wenige. Und wenn das TOBS der Bevölkerung wirklich wichtig sei, müsse sich das in Verkaufszahlen ausdrücken und die Eigenwirtschaftlichkeit höher sein. Einzig die Sozialdemokraten und die Grünen haben sich bis zum bitteren Ende vehement gegen derartige Gemeinplätze gewehrt. Die Motion von GLP, BVP, FDP und SVP forderte, dass auch das TOBS einen „angemessenen Beitrag zum ausgeglichenen Budget leisten“ solle, zumal das auf 360'000 Franken bezifferte Sparpotential realisierbar sei. Man erwarte vom TOBS, dem grössten Subventionsempfänger der Stadt Biel, eine solidarische Haltung gegenüber den anderen von den Sparmassnahmen betroffenen Organisationen.

Dieser Forderung entgegnete der Bieler Gemeinderat mit einer Analyse: Die Stiftung TOBS erhalte jährlich 11'094'452 Franken, der Beitrag der Stadt Biel beträgt 3'992'720 Franken. Der Anteil selbsterwirtschafteter Mittel betrage durchschnittlich 24 Prozent bei einem Gesamtaufwand von rund 14,5 Millionen Franken. Die vorgesehene Reduktion des Beitrags der Stadt Biel hätte Kürzungen der anderen Finanzierungsträger zur Folge. Die jährliche Subvention würde um insgesamt 1 Million Franken sinken und damit auch die Eigenwirtschaftlichkeit. Dies sei nicht zu verkraften, es sei denn, man verzichte auf eine der drei Sparten. Abgesehen davon hatte die TOBS-Direktion längst eine solidarische Haltung eingenommen. Angesichts der Finanzlage der Stadt erklärte sie sich noch im Frühsommer bereit, weitere Anstrengungen bei der Beschaffung von Drittmitteln zu unternehmen, und das, obwohl dem Antrag auf eine Subventionserhöhung nicht entsprochen worden ist. Das ist die Realität.

Der ursprüngliche Vorschlag vom Frühjahr, die Orchestermusiker 2018 zu entlassen und ein Projektorchester zu gründen, unterliegt der im Massnahmenpaket zur Nachhaltigen Haushaltssanierung (NHS) proklamierten «Logik des Verzichtens». (Wir berichteten.) Der weitreichende Bürgerprotest gab jedoch klar zu verstehen, dass ein solcher «Verzicht» wenig Rückhalt finden würde. Weshalb aber fand die dringliche Motion mehr Befürworter als der Antrag des Gemeinderates, diese nicht erheblich zu erklären? (Letzterer wurde mit 28 zu 21 Stimmen bei 5 Enthaltungen abgelehnt, siehe Diagramm.) Das Ganze beruht wohl auf einem Schulterschluss der Parteien von rechts bis zur Mitte. Ihr erklärtes Motiv: Sparsymmetrie. (Wir sprachen an dieser Stelle einmal von Rasenmähermethode.)

Gewiss haben die weitreichenden Folgen des Vorstosses (u.a. angesichts der komplexen Trägerschaft zwischen den Städten Biel und Solothurn, dem Kanton Bern und der Regionalen Kulturkonferenz) mit Sparsymmetrie nicht mehr viel zu tun. Vielmehr wird das TOBS in einen Überlebenskampf gedrängt. Vor drei Jahren wurde die Fusion von Theater und Orchester zu TOBS von der Politik verantwortungsbewusst begleitet. Das neu gegründete Erfolgsmodell wird nun leichtfertig aufs Spiel gesetzt. Wie man der Gefahr einer Abwärtsspirale – gekürzte Gelder, entlassenes Personal, stark reduziertes Angebot, verblassende Ausstrahlung – nachhaltig ausweichen kann, weiss derzeit wohl noch niemand.

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Zur Abstimmung kam der Antrag des Bieler Gemeinderates, die Motion aus den Reihen der GLP, BVP, FDP und SVP nicht erheblich zu erklären. Der Antrag wurde vom Stadtrat mit 28 zu 21 Stimmen jedoch abgelehnt bei 5 Enthaltungen, die Motion also angenommen.

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