
Interview mit Susanne Huber
Susanne Huber arbeitet als Dozentin an der ZHdK Zürich und hat über 20 Jahre lang als Schulmusikerin in der Ostschweiz unterrichtet. Seit zwei Jahren ist sie an der Talentschule Musik St. Gallen tätig. Auf dem Bahnhof Wil empfängt sie mich an diesem schönen und kalten Spätwintermorgen.
Tamara Kiener — Bei Schorle und Chai Latte im nahegelegenen Café erzählt mir Susanne Huber über ihre Arbeit an der Talentschule St. Gallen.
Susanne Huber, was genau ist deine Aufgabe an der Talentschule St. Gallen?
Ein Teil meiner Arbeit besteht aus Koordination und Kommunikation mit den Klassenlehrpersonen und Musikschullehrpersonen der jeweiligen Schülerinnen und Schülern.
Da unser Talentschul-Konzept noch relativ neu ist, diskutieren wir oft über curriculumsrelavante Inhalte. An der Talentschule unterrichte ich das Fach ‘Labor Musiktheorie’ und leite den Chor. Zudem plane ich zwei Sonderwochen ins Schuljahr ein. Letztes Jahr komponierten sie einen Talentschulsong und dieses Jahr bekamen sie eine Einführung ins Tanzen und spielten als kleines «Orchester».
Wie sieht eine Schulwoche für Schülerinnen und Schüler der Talentschule aus?
Die TalentschülerInnen arbeiten einen Tag lang an verschiedenen musikalischen Themen.
Unter der Woche haben sie 80 Minuten Einzelunterricht auf ihrem Instrument. Nebst den bereits genannten Fächern besuchen die SchülerInnen das Fach «Musik und Mensch». Da geht es darum, Musik zu hören und sie zu verorten. Am Nachmittag finden Workshops statt, die semesterweise ändern. Z.B.: Puls & Rhythmus, Improvisation, ...
Nebst den obengenannten Fächern besuchen sie den Unterricht in den regulären Fächern, gemäss der kantonalen Wochenstundentafel.
Welche Instrumente und Stilrichtungen sind vertreten in den aktuellen Klassen?
Da zeigt sich eine grosse Vielfalt, die jährlich wieder anders aussieht: von Cello, Schlagzeug, Gesang, Trompete über Marimbaphon und Cembalo. Ebenso unterschiedlich sind die Stilrichtungen - von Klassik über Jazz zu Rock und Pop.
Was ist anders als in den regulären Klassen, die du bisher unterrichtet hast?
Was auffällt, ist die unglaubliche Motivation der Schülerinnen und Schüler für diverse musikalische Themen. Sie sind sehr begeisterungsfähig und offen, Neues zu lernen. Die intrinsische Motivation der Schülerinnen und Schüler ist enorm hoch. Viele SchülerInnen blühen auf. Endlich sind sie unter Gleichgesinnten. Auf ein Konzert hin zu arbeiten, treibt sie an. Solch neugierige Menschen begleiten zu dürfen, ist für mich ein Privileg.
Wie ist der Werdegang der Schülerinnen und Schüler der Talentschule St. Gallen?
Die interessierten Jugendlichen der 6. Klasse werden an eine Eignungsprüfung mit Vorspiel und persönlichem Gespräch eingeladen. An jenem Tag musizieren und singen sie gemeinsam. Da erkennt man schnell, wie sie mit musikalischen Elementen umgehen können. Auch die Meinung und Empfehlung der Instrumentallehrperson wird berücksichtigt.
Nebst der Begabung ist uns auch sehr wichtig, dass die Lernenden die nötige Motivation aufbringen.
Einige der Jugendlichen, die bei uns in der Talentschule sind, entscheiden sich später für ein Musikstudium. Das ist aber nicht ausschliesslich das Ziel der Talentschule. Es geht uns darum, den Jugendlichen eine Plattform für ihre musikalischen Interessen anbieten zu können. Hier bekommen sie Zeit, ihrer Leidenschaft nachzugehen und professionell gefördert zu werden.
Susanne Huber, ich bedanke mich herzlich für das Gespräch!
… arbeitet als Schulmusikerin, Chorleiterin, Koordinatorin der Talentschule Musik St.Gallen, Fachdidaktikdozentin an der ZHdK, Grafikerin und ist Mutter von zwei Kindern – und das alles leidenschaftlich gerne!
Seit August 2006 führt die Stadt St. Gallen auf der Oberstufe eine Talentschule. Hier werden Jugendliche mit ausgewiesenen Fähigkeiten im sportlichen, musikalischen oder künstlerischen Bereich integriert in einer Real-, Sekundar- oder Kleinklasse umfassend gefördert.
Der Besuch der Talentschule erfordert von den Jugendlichen ein besonderes Engagement und ein hohes Mass an Eigenverantwortung. Gegenüber ihren Mitschülerinnen und Mitschülern haben die jungen Talente eine Vorbildfunktion.