
Soziale Vorsorge für Musikschaffende – steter Tropfen höhlt den Stein
Die Verbesserung der sozialen Absicherung der Kulturschaffenden gehört zu den Kernanliegen der Berufs- und Fachverbände der Kulturschaffenden. Das Bild vom armen aber glücklichen Poeten mag bei manchen Leuten Entzücken hervorrufen, doch ohne ein existenzsicherndes Einkommen und ein minimales soziales Sicherheitsnetz ist eine freie kreative Tätigkeit langfristig nicht möglich.
Seit der Einführung der AHV im Jahre 1948 ist für alle Menschen in unserem Land, so auch für Künstlerinnen und Künstler, eine minimale Absicherung für Alter, Invalidität und Todesfall gewährleistet. Nicht selten bildet diese Rente für freischaffende – sowohl selbständig erwerbende als auch temporär angestellte – Musikerinnen und Musiker zum ersten Mal in ihrem Leben ein regelmässiges, sicheres Einkommen. Doch beträgt die AHV-Rente für Einzelpersonen aktuell minimal gerade mal 1'185 und maximal 2'370 Franken im Monat (Stand 2020) und dies auch nur, wenn die Rentnerin oder der Rentner während 43 resp. 44 Jahren brav die Beiträge bezahlt hat. Entsprechend minimal sind die Leistungen der IV im Falle von krankheits- und unfallbedingter langfristiger Arbeitsunfähigkeit. Die Gesetzgebung im Sozialversicherungsbereich ist auf Festangestellte ausgerichtet. Freischaffende Künstlerinnen und Künstler fallen oft durch die Netze.
Pensionskasse für Musikschaffende
So müssen sich selbständigerwerbende Musikerinnen und Musiker nicht obligatorisch einer Pensionskasse anschliessen. Auch wenn sie in einem oder mehreren Engagements und Nebenerwerben als Arbeitnehmer*innen tätig sind, fallen diese Einkommen meist unter die Schwelle des Obligatoriums, zumal oft auch unklar ist, ob sie in ihrer Tätigkeit jeweils Selbständigerwerbende oder Arbeitnehmer*innen sind. Sie können sich zwar freiwillig einer Vorsorgeeinrichtung, wie z.B. der Pensionskasse Musik und Bildung, anschliessen, angesichts der bescheidenen Einkommen wird davon jedoch leider nur wenig Gebrauch gemacht, wie Untersuchungen zeigen . Dies sicherlich auch, weil bei Selbständigerwerbenden kein Arbeitgeberanteil beigesteuert wird und der zu leistende Beitrag entsprechend hoch ist.
Eine freischaffende Musikerin wird jedoch, wenn sie nicht mehr in der Lage ist, zusätzlich zur Rente ein Verdienst zu erzielen, schnell zum Sozialfall, wenn sie nicht vorgesorgt hat. Natürlich hat jeder rechtlichen Anspruch auf Ergänzungsleistungen bis zum Existenzminimum und kann sich in Notlagen an öffentliche und private Hilfseinrichtungen wenden. Aber sein Alter am Existenzminimum zu fristen ist bitter und der Bittgang zu Hilfseinrichtungen wird, nach einem kreativen und arbeitsintensiven Leben, oft zu Recht, als erniedrigend empfunden. Zudem ist vor dem Bezug von Ergänzungsleistungen das private Vermögen aufzubrauchen. Dazu zählen auch Kunstwerke, Musikinstrumente oder ein Atelier, das man vielleicht einmal erworben hat.
Selbstverantwortung und Information
Politikerinnen und Kulturförderer stellen sich immer wieder auf den Standpunkt, dass die berufliche Vorsorge, vor allem für Selbständigerwerbende, in deren Selbstverantwortung liege. Dies nicht ganz zu Unrecht, denn die Gesetzgebung ist so angelegt. Doch wissen die meisten Musikerinnen und Musiker kaum Bescheid über ihre Rechte und Möglichkeiten und im Curriculum der Musikhochschulen fehlen meist entsprechende Studienfächer.
In Gesprächen und Beratungen mit Kulturschaffenden aller Sparten kann man immer wieder feststellen, dass sie bestenfalls die obligatorischen AHV- und IV-Beiträge leisten, darüber hinaus jedoch kaum vorgesorgt haben. Jüngste Untersuchungen von Suisseculture Sociale bestätigen dies. Bis sie es selbst feststellen und sich beraten lassen, ist es meist zu spät, eine sinnvolle Vorsorge aufzubauen.
Beitrag der Kulturförderer
Mit der Einführung des Kulturförderungsgesetzes gelang es 2008 endlich, das Bundesamt für Kultur und die Pro Helvetia dazu zu verpflichten, bei der Auszahlung eines direkten Beitrages für Kulturschaffende auch einen Anteil an deren berufliche Vorsorge zu leisten. Von den Preisen und direkten Werkbeiträgen werden nun 6 % abgezogen und mit zusätzlichen 6 % an die Vorsorgeeinrichtung der Begünstigten überwiesen.
Ein Erfolg zwar, aber nur ein Tropfen auf dem heissen Stein, beträgt doch der Anteil des Bundes lediglich rund 15 % sämtlicher Kulturbeiträge der öffentlichen Hand. 85 % stammen von Kantonen und Gemeinden. Also müssen vor allen diese dafür gewonnen werden.
Waren die Städte und Kantone am Anfang noch sehr skeptisch, kommen nun immer mehr dazu, die einen Anteil an die berufliche Vorsorge bei ihren Kulturbeiträgen miteinberechnen und einen Anteil daran leisten. Dies nicht zuletzt aufgrund des grossen Drucks durch Suisseculture Sociale und die Verbände der Kulturschaffenden.
Nicht lockerlassen
Kulturverbände, so auch SONART, haben in den letzten Jahren viel dazu beigetragen, dass sich die Situation der Musikschaffenden im Bereich der sozialen Sicherheit verbessert. Der Einsatz für sinnvolle Lösungen seitens der Kulturschaffenden und ihrer Verbände ist aber mitnichten abgeschlossen. Neben den Städten und Kantonen gilt es, auch private Förderer und weiterhin auch die Kulturschaffenden selbst von der Notwendigkeit einer Vorsorge fürs Alter und bei Invalidität zu sensibilisieren und aufzuklären sowie den Druck auf die Politik und die Behörden aufrechtzuerhalten.